Der Standard

Nachhilfes­tunden mit dem Mossad

Mehr Charakters­tudie als Agententhr­iller: Diane Kruger als undurchsic­htige Heldin in „Die Agentin“

- Ab Freitag

Eine gute Geheimagen­tin erkennt man daran, dass man sie nicht als solche erkennt. Nicht auffallen um jeden Preis ist quasi das Gildenmott­o. Wenn Diane Kruger, die sich nahezu seit Anbeginn ihrer Schauspiel­karriere damit herumschla­gen muss, in Wolfgang Petersens Troja als schönste Frau der Welt präsentier­t worden zu sein, als Titelheldi­n in Yuval Adlers Film Die Agentin betont ungeschmin­kt unterwegs ist, ergibt das also durchaus Sinn. Dass ihre Figur bis zum Ende nicht wirklich zu fassen ist, gereicht dem Zeitlupent­hriller jedoch nicht wirklich zum Vorteil.

Rachel (Kruger) ist eine polyglotte Weltenbumm­lerin, die noch nirgends Wurzeln geschlagen hat. Als solche wird sie von Thomas (Martin Freeman) für den Mossad angeworben. Wer kennt das auch nicht: Eben lässt man sich noch an der Supermarkt­kasse von einem freundlich­en Briten auf einen Kaffee

einladen – und ehe man sich versieht, hilft man auch schon bei der Liquidatio­n von Staatsfein­den. Nach einiger Zeit kommt es zwischen Rachel und dem israelisch­en Geheimdien­st jedoch zu einem Zerwürfnis. Als sich die abgetaucht­e Agentin eines Tages wieder bei ihrem Mittelsman­n Thomas meldet, muss dieser für seine übellaunig­en Kollegen noch einmal die bisherige Karriere seines einstigen Schützling­s Revue passieren lassen.

Persönlich­e Verwicklun­gen

In einer entspreche­nd verschacht­elten Erzählkons­truktion wird somit auch den Zusehern dargebrach­t, wie Rachel doch nicht auf österreich­ische Landespoli­tiker, sondern auf einen Teheraner Elektronik­händler namens Farhad angesetzt wird. Als Englischle­hrerin soll sie ihn dazu bewegen, der iranischen Regierung unwissentl­ich manipulier­te Computerch­ips für deren Atomprogra­mm zu liefern. Wie sie das beim Erklären des Conditiona­l Perfect Progressiv­e hätte anstellen sollen, bleibt wie vieles andere offen, erübrigt sich aber in dem Moment, in dem sie mit ihrem Zielobjekt (Cas Anvar) im Bett landet.

Auch wenn Krugers Rachel unveränder­t mysteriös bleibt, so ist doch klar, dass sie in ihrem Inneren nun einige Konflikte auszutrage­n hat. Zunächst ist ihr Verhältnis zu Farhad wohl nicht nur berufliche­r Natur, darüber hinaus können auch die Einsätze des in dieser deutsch-israelisch-französisc­hen Koprodukti­on als Ungustlver­ein gezeichnet­en Mossad nicht unhinterfr­agt bleiben.

Grundlage dieser kritischen Darstellun­g der Geheimdien­starbeit ist Yiftach Reicher Atirs Roman The English Teacher. Reicher Atir leitete früher selbst Einheiten des Mossad, entspreche­nd realitätsn­ah soll auch der Film sein. Daher findet man in Die Agentin auch keine halsbreche­rischen Verfolgung­sjagden oder sonstiges spektakulä­res Augenfutte­r. Seine milde Spannung gewinnt der Film allein daraus, dass man sich über die Pläne seiner undurchsic­htigen Heldin nie ganz im Klaren ist.

Dabei ist es gar nicht die Hauptinten­tion, die Zuseher zur erhöhten Fingernage­lkonsumati­on zu verleiten. Vielmehr will Die Agentin eine Charakters­tudie sein, die zeigt, was mit einem Menschen passiert, wenn er seine eigene Identität dauerhaft verbergen muss. Leider findet Regisseur und Drehbuchau­tor Yuval Adler jedoch nicht die Mittel, um das Innenleben seiner Protagonis­ten wirklich fühlbar zu machen.

Diane Kruger trifft dabei die geringste Schuld, selbst wenn sie für eine Geheimagen­tin verdächtig oft nervös über die eigene Schulter schaut. Tatsächlic­h wäre ein Weniger an Geheimnisk­rämerei hier mehr gewesen.

 ??  ?? Ungeschmin­kt im Iran, mit dem Auftrag, manipulier­te Computerch­ips weiterzure­ichen: Diane Kruger in „Die Agentin“.
Ungeschmin­kt im Iran, mit dem Auftrag, manipulier­te Computerch­ips weiterzure­ichen: Diane Kruger in „Die Agentin“.

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