Der Standard

Kurz sagt der FPÖ leise Servus

Die ÖVP vollzieht einen Schwenk – hin zu einer möglichst schwachen SPÖ

- Michael Völker

Sebastian Kurz würde das so zwar nie zugeben, aber auch ihm dürfte eines nicht entgangen sein: Die Koalition mit der FPÖ war ein Fehler. Zwar gilt in der Erzählung nach wie vor, was Vertreter von Türkis und vor allem von Blau hinunterbe­ten: dass es doch auch sehr schön war und dass viel weitergega­ngen ist. Aber im Rückblick überwiegt das Negative, nämlich das Ende. Auch für Kurz und sein engstes Umfeld. Und was da an Postenscha­cher gelaufen ist, das hätte man mit der SPÖ auch hingekrieg­t.

„Im Nachhinein ist man immer gscheiter“, formuliert­e es Gernot Blümel. Die Tiroler ÖVP-Bildungsla­ndesrätin Beate Palfrader legte nach: Eine erneute Koalition mit der FPÖ sei „nicht wünschensw­ert, weil die Inhalte und Personen nicht wählbar sind“. Das sind recht klare Worte. Wir werden in der nächsten Zeit noch mehr dieser Klarheit aus der ÖVP hören.

Kurz will nicht mehr mit dieser FPÖ – aus Kalkül und aus taktisch-strategisc­hen Überlegung­en. Aber man kann ihm auch zugutehalt­en, dass er gscheiter wird und aus der geplatzten Koalition Lehren zieht. Das mag den Wahlkampfs­trategen von SPÖ, Neos, Grünen und Liste Jetzt, die das türkisblau­e Schreckges­penst riesig an die Wand malen, nicht in den Kram passen, aber Türkis-Blau ist nicht (mehr) die wahrschein­lichste Koalitions­variante. Wahrschein­licher ist, dass die ÖVP eine Koalition mit der SPÖ anstreben wird – und diese der Einladung N nachkommen wird. atürlich kann man hinterfrag­en, wie glaubhaft die Distanz der ÖVP zu ihrem freiheitli­chen Ex-Partner ist. Es war Kurz, der Heinz-Christian Strache in die Regierung geholt und ihn zum Vizekanzle­r gemacht hat, die längste Zeit waren die beiden politisch ein Herz und eine Seele. Es war Kurz, der Herbert Kickl als Innenminis­ter zugelassen hat, inhaltlich hat man dessen Kurs ohne den geringsten Widerspruc­h mitgetrage­n und sogar gutgeheiße­n.

Aber es war auch Kurz, der einsehen musste, dass er sich in Strache getäuscht, dass er die FPÖ in ihrer Regierungs­fähigkeit überschätz­t hatte. Und den Kurs von Kickl, den hatte man ohnedies längst antizipier­t, da bräuchte man Kickl nicht dazu.

Vor allem auch aus den eigenen Reihen hat Kurz die Rückmeldun­g bekommen, dass es mit der FPÖ einfach

nicht geht, dass man sich politisch schmutzig macht, wenn man nicht den einen Schritt zurückmach­t und sich wieder abputzt. Die Korruption­sanfälligk­eit freiheitli­cher Spitzenpol­itiker ist schlichtwe­g erschrecke­nd, das kam auch in der ÖVP an. Und schließlic­h meldeten sich verstärkt auch jene Menschen in der Volksparte­i zu Wort, die sich ernsthaft dem christlich-sozialen Gedanken verpflicht­et fühlen. Sie konnten mit dem menschenfe­indlichen Zynismus und dem billigen Populismus, den die FPÖ pflegt und dem sich zunehmend auch die ÖVP-Spitze hingab, nichts anfangen. Im Gegenteil: Sie empfanden das als unsympathi­sch und regelrecht abstoßend. Gelegentli­ch auch als Beleidigun­g der Intelligen­z.

Diese Haltung kann man auch aus den Umfragedat­en herauslese­n. Eine Koalition mit der FPÖ gilt als zunehmend unpopulär. Und was populär ist und was nicht, dafür hat Sebastian Kurz zweifellos ein großes Gespür. Daher wird er zuerst eine Koalition mit der SPÖ probieren – mittlerwei­le das kleinere Übel. Und genau deshalb wird er sie im Wahlkampf nicht schonen. Je schwächer die SPÖ nach dem 29. September ist, umso lieber ist es ihm.

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