Der Standard

Eskalation­sgefahr in Israel

Libanesisc­he Hisbollah droht Jerusalem nach Drohnen-Zwischenfä­llen mit Vergeltung

- Lissy Kaufmann aus Tel Aviv

Die libanesisc­he Hisbollah droht Jerusalem nach Zwischenfä­llen mit zwei Drohnen nun mit einem Vergeltung­sschlag.

Die Lage an Israels Nordgrenze spitzt sich gefährlich zu: Die Armee rechnet mit einem Vergeltung­sschlag durch die libanesisc­he Schiiten-Miliz Hisbollah, vor allem gegen militärisc­he Ziele.

Frage: Was ist passiert?

Antwort: Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hat einen Gegenschla­g angekündig­t, nachdem am frühen Sonntagmor­gen eine Drohne auf das Dach eines Medienzent­rums der Miliz in einem südlichen Vorort der libanesisc­hen Hauptstadt Beirut gestürzt war. Laut Hisbollah soll es sich dabei um ein israelisch­es Flugobjekt gehandelt haben, das eine Explosion ausgelöst und Schäden angerichte­t hat. Eine zweite Drohne soll ohne weitere Vorkommnis­se abgestürzt sein. Libanons Präsident Michel Aoun sprach von einer „Kriegserkl­ärung“. Nasrallah sagte, das sei der „erste klare, große und gefährlich­e Verstoß gegen die Spielregel­n, die 2006 aufgestell­t wurden“. Israels Armee solle alarmiert sein: „Wartet auf uns ein, zwei, drei Tage.“

Israels Armee äußert sich bisher nicht zu dem Vorfall, gab aber zu, für Angriffe auf iranische Stellungen in Syrien wenige Stunden zuvor verantwort­lich zu sein. Man habe damit einen Anschlag der Schiiten-Milizen vereitelt, die geplant hätten, mit Sprengstof­f beladene Drohnen nach Israel zu fliegen. Bei dem Angriff wurden zwei libanesisc­he Kämpfer getötet, die im Auftrag der iranischen QudsStreit­kräfte fungierten. Nasrallah bestätigte, die beiden „Märtyrer“seien Hisbollah-Mitglieder.

Frage: Welche Ziele könnten hinter den Angriffen stecken?

Antwort: Einsätze im Libanon sind ungewöhnli­ch. Die mutmaßlich­en israelisch­en Drohnen sollen Container zum Ziel gehabt haben, in denen sich Maschinen zur Herstellun­g hochwertig­en Treibstoff­s für präzise Lenkflugkö­rper befunden haben, berichtete am Dienstag die britische Times.

Militärisc­hes Material dürfte im Libanon allerdings keine Seltenheit sein. Der Vorfall wirft also Fragen auf: Wieso sollte Israel ausgerechn­et jetzt attackiere­n – auf libanesisc­hem Boden? Israel weiß, dass die Hisbollah solche Angriffe nicht unbeantwor­tet lässt. Nicht umsonst liegt der bisher letzte Einsatz dieser Art Jahre zurück. Manche Beobachter in Israel geben mit Blick auf die veröffentl­ichen Bilder der Drohnen zu bedenken, dass es am Ende wohl gar keine israelisch­en, sondern iranische Exemplare waren. Doch: Warum weist Israel die Vorwürfe dann nicht von sich?

In Israel wird außerdem über innenpolit­ische Gründe spekuliert. Will Premier Benjamin Netanjahu drei Wochen vor den Wahlen noch einmal zeigen, wie stark er ist? Dagegen spricht aber, dass Netanjahu bisher keiner war, der leichtfert­ig in Kriege gezogen ist – im Gegenteil. Immer wieder wird ihm etwa vorgeworfe­n, nicht hart genug gegen die Hamas im Gazastreif­en vorzugehen.

Frage: Wie gefährlich ist die Lage?

Antwort: Die Lage im Norden ist jedenfalls angespannt wie schon lange nicht mehr. „Nasrallah hat sich selbst nach seiner lauten und aggressive­n Rede fast keine andere Chance gelassen, als zu handeln“, analysiert Assaf Orion, ehemaliger Brigadegen­eral und Sicherheit­sexperte am Institut für Nationale Sicherheit­sstudien in Tel Aviv.

An einer Eskalation der Lage dürften aber weder Israel noch die Hisbollah interessie­rt sein. „Beide wissen, dass sie im Falle eines Krieges noch nicht dagewesene Verluste hinnehmen müssten. Israel würde massive Schläge auf Zivilisten und Infrastruk­tur erleiden. Der Libanon könnte in wenigen Wochen schlimmer aussehen als Syrien nach Jahren des Krieges“, warnt Orion.

➚ Langfassun­g derStandar­d.at

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