Kuhopfer trägt Teilschuld
Oberlandesgericht Innsbruck folgt Berufung des Bauern zum Teil, Schadenersatzzahlungen reduziert
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat das Urteil gegen einen Almbetreiber abgeändert und die Geldstrafe reduziert.
Innsbruck – Fünf Jahre nachdem eine Touristin in den Stubaier Alpen von einer Kuh zu Tode getrampelt wurde, beschäftigte sich die Justiz erneut mit dem tragischen Geschehen. War der Tiroler Landwirt, auf dessen Alm im Pinnistal das Unglück geschah, in erster Instanz zu einer hohen Geldstrafe verurteilt worden, sieht das Oberlandesgericht (OLG) in seiner Berufungsentscheidung nun Schuld auf beiden Seiten.
Der Landwirt muss dem Witwer und seinem Sohn nur noch die Hälfte an Schmerzensgeld und Rente bezahlen: in Summe 53.911 Euro und eine monatliche Rente von 606 Euro für den Ehemann der Verstorbenen sowie 23.750 Euro plus 176 Euro Rente für ihren Sohn. Die Entscheidung des OLG wurde am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Innsbruck veröffentlicht.
Begründet wird die Strafreduktion mit dem Mitverschulden der Verstorbenen. Es bestehe kein Anlass, die Verschuldensmomente eines der beiden Beteiligten stärker zu gewichten, sagt Vizepräsident und Pressesprecher Wigbert Zimmermann. Das Gericht gehe von Verschulden zu gleichen Teilen aus.
Der Landwirt, der für seine Tiere nach ABGB (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) haften muss, hätte den Pinnisweg einzäunen müssen. Denn er habe gewusst, dass seine Mutterkühe, die ihre Kälber schützen wollen, sensibel und aggressiv auf Hunde reagieren. Der Unfallort sei zudem der am stärkste von Wandernden frequentierte Bereich des Weidegebiets gewesen. Die Einzäunung auf eine Länge von 500 Metern wäre dem Bauern zumutbar gewesen.
Andererseits habe die Wanderin, die mit ihrem Hund unterwegs war, das Warnschild nicht beachtet und sei in zu geringem Abstand an den Kühen vorbeigegangen. Diese Sorglosigkeit begründe Mitverschulden.
Der Anwalt des Landwirts, Ewald Jenewein, will auch dieses Urteil bekämpfen. Sein Mandant habe alle Vorschriften eingehalten, sagt Jenewein. Die Begründung, er hätte in Bereichen mit höherer Frequenz Zäune errichten sollen, schaffe Rechtsunsicherheit. Denn der Begriff hohe Frequenz sei nirgends definiert. „Kein Mensch kann beurteilen, wann das der Fall ist.“
Sollte das Urteil halten, würde Beweidung künftig unmöglich, sagt Jenewein. Auch der Witwer kündigte Revision an. Wenn man die Fakten berücksichtige, sei das Urteil ernüchternd, meinte dessen Anwalt. Trotzdem sei das Urteil „kein Drama“. Das Ersturteil hatte zu Jahresbeginn bei Landwirten für Empörung gesorgt, das Ende der Almwirtschaft wurde beschworen, die türkis-blaue Regierung reagierte mit Gesetzesänderungen. Der § 1320 ABGB, der die Haftung des Viehhalters regelt, wurde präzisiert und durch Pflichten von Wandernden ergänzt.
Paket „Sichere Almen“
Trotz des Regierungspakets „Sichere Almen“endeten auch diesen Sommer wieder Begegnungen zwischen Muttertieren (darunter auch ein Schaf) und Wandernden mit Verletzungen der Menschen.
Wie verhält man sich im Weidegebiet? Warnschilder beachten, Zäune akzeptieren, Abstand halten. Wird ein Weg durch ein Tier blockiert, weiträumig ausweichen, mit Hunden Weidetieren nicht nahekommen. Bei einem Angriff die Leine loslassen. Eine Kuh signalisiert klar, wenn mit ihr nicht mehr zu spaßen ist: Sie hebt und senkt den Kopf, scharrt mit den Hufen. Spätestens dann sollte man den Rückzug antreten.