Streit über Personalien bei Regierungsbildung in Italien
Inhaltliche Differenzen schienen am Dienstag weniger Probleme zu bereiten als die Frage, wer an welcher Stelle in der Regierung die Arbeit machen soll.
Gute 14 Monate lang war Luigi Di Maio formell dem anderen Vizepremier in der italienischen Regierung, Matteo Salvini, gleichgestellt. Ihr Chef hieß Giuseppe Conte, der parteiunabhängige Jurist war ihnen von Staatspräsident Sergio Mattarella – je nach Lesart – als Aufpasser bzw. Moderator zugeteilt worden. Doch dieser Plan erwies sich schon ab dem ersten Tag dieses Kabinetts als Makulatur. Die wahre Nummer eins war nämlich stets Salvini, obwohl er nur halb so viele Wähler hatte wie Di Maio, der sein politisches Gewicht zu keinem Zeitpunkt auf den Boden bringen konnte.
Auch hatte sich Salvini, polternder Chef der rechten Lega, das einflussreiche Innenressort geangelt. Dem hatte Di Maio zugestimmt in der Annahme, selbst mit der Regierungsverantwortung als Minister für wirtschaftliche Entwicklung und Arbeit die Menschen besser und unmittelbarer als der Lega-Chef erreichen zu können – doch das erwies sich als Trugschluss. Salvini riss die öffentliche Meinung geradezu an sich – bis er sich Anfang August verkalkulierte und sodann als Verlierer der mutwillig verursachten Regierungskrise dastand.
Di Maio scheint seine Lektion gelernt zu haben: Überlasse nie jemand anderem das Innenministerium, wenn du es selber haben könntest. Zumindest schien diese Personalie gestern, Dienstag, der Grund gewesen zu sein, der die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) dazu veranlasste, die Sondierungsgespräche mit dem sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) für eine neue Regierung vorerst „einzufrieren“.
Man ließ verlauten, weitere Verhandlungen hätten erst dann einen Sinn, wenn sich der PD bereiterkläre, ein Kabinett unter der neuerlichen Leitung Contes zu akzeptieren. Italienische Medien beriefen sich aber auf anonyme Quellen bei den Fünf Sternen selbst, denen zufolge Di Maio stur darauf beharre, künftig das Amt des Innenministers zu bekleiden. Dieses beanspruche aber der PD für jemanden aus den eigenen Reihen. Die Medienberichte wurden umgehend dementiert – was aber nicht zu bedeuten hatte, dass sie nicht trotzdem stimmten.
PD-Chef plant strategisch
Die Sozialdemokraten schienen am Dienstagnachmittag tendenziell gewillt, Conte zu akzeptieren – und da spielen wohl nicht nur kurzfristige Überlegungen eine Rolle: Parteichef Nicola Zingaretti, der erst seit wenigen Monaten im Amt ist und versucht, die Partei nach dem Wahldesaster von 2018 wieder aufzurichten, soll Gefallen daran gefunden haben, mit einer gelb-roten Regierung (Gelb als M5S-Parteifarbe, Rot als jene des PD) in Rom strategisch auch den Weg für ähnliche Konstellationen auf regionaler Ebene zu bereiten. Das wäre eine echte Neuheit, nachdem der Graben zwischen den Parteien bisher tief, breit und unüberbrückbar erschien.
Zingaretti musste in den vergangenen Tagen für eine solche künftige Ausrichtung des PD etliche parteiinterne Hindernisse planieren bzw. aus dem Weg räumen. Es dürfte – zumindest vorerst – geglückt sein. Offizielles Motto: „Kein Veto, sprechen wir über Inhalte.“