OECD für Steuern auf Vermögen in Deutschland
SPD will Multimillionäre zur Kasse bitten
Der Konzern Johnson & Johnson muss 572 Millionen Dollar an Schadenersatz zahlen, weil er nach dem Urteil eines Richters in Oklahoma die Gefahren opioidhaltiger Medikamente auf unverantwortliche Weise heruntergespielt hat. Es ist das erste Mal, dass ein amerikanisches Unternehmen wegen einer Mitschuld an der seit Jahren grassierenden Opioid-Epidemie im Zuge eines Gerichtsprozesses zur Verantwortung gezogen wird.
Die Firma, so Richter Thad Balkman vom Cleveland County District Court in Norman, habe durch „irreführende und gefährliche“Vermarktung der Schmerzmittel dazu beigetragen, die Suchtkrise zu verharmlosen. Sie habe in Kauf genommen, dass die Zahl der Drogenabhängigen rasant stieg und tausende Menschen an einer Überdosis starben. Gemeinsam mit anderen Pharmaherstellern habe Johnson & Johnson (J & J) eine teure PR-Kampagne gestartet, um sowohl Mediziner als auch die breite Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass man mit Opioiden kein Risiko eingehe, weil sie angeblich nicht süchtig machten.
Was Balkman auflistet, liest sich wie die kompakte Chronik einer Epidemie, die lange verdrängt wurde, obwohl sie in den 1990er-Jahren begann. Damals ließen Pharmaanbieter Studien erstellen, nach denen man Schmerzen unterbehandelt habe und sich dies ändern müsse. Ab der zweiten Hälfte der Neunziger brachten sie massenhaft Opioide auf den Markt. Diese hatten bis dahin wegen der damit verbundenen Suchtgefahr als bedenklich gegolten. Dann sank die Hemmschwelle, mancherorts entstanden sogenannte „pill mills“, dubiose Arztpraxen, in denen wie am Fließband Opioide verschrieben wurden – vielfach ohne mit den Patienten auch nur zu reden. Meldeten Ärzte Zweifel an, redeten ihnen Vertreter von J & J ein, dass es sich um eine „Pseudosucht“handle. Baten Patienten nach auffallend kurzer Zeit um ein neues Rezept und ließen somit Suchtsymptome erkennen, sprachen die Emissäre der Industrie von scheinbarer Abhängigkeit: Verlange jemand nach mehr, sei dies ein Zeichen für „Unterbehandlung“. Im Übrigen möge man im Patientengespräch negative Begriffe vermeiden, etwa das Wort Abhängigkeit. Im Jahr 2015, auf dem Höhepunkt der Krise, wurden in Oklahoma 326 Millionen Opioid-Pillen verschrieben, statistisch gesehen 110 Tabletten für jeden Erwachsenen.
Was der Richter in seiner Urteilsbegründung beschreibt, nennt Justizminister Mike Hunter eine bis zum Exzess getriebene Profitgier. Bisweilen, sagt er, hätten Pharmahersteller geradezu die Rolle von Drogendealern übernommen. Hunter hatte 17 Milliarden Dollar Entschädigung gefordert, um zu decken, was Oklahoma in den nächsten zwei Dekaden für die Reparatur des angerichteten Schadens ausgeben müsse. Dass es Richter Balkman bei einem Bruchteil der Summe beließ, ließ den Aktienkurs von J & J zunächst sogar steigen.
Es dauerte eine Weile, bis auch der Name Johnson & Johnson, bekannt für Seife, Pflaster oder Tampons, in Verbindung mit der Epidemie gebracht wurde. Es waren andere, die in die Negativschlagzeilen gerieten, etwa Purdue Pharma, die Firma, die das Schmerzmittel Oxycontin entwickelte und als Synonym für das fatale Opioid-Kapitel gilt. J & J indes lieferte rund 60 Prozent des Rohmaterials, auf Tasmanien geernteten Mohn, den andere für ihre Tablettenproduktion benötigten. Purdue hatte sich bereits vor Monaten auf einen Vergleich mit Oklahoma geeinigt, auf die Zahlung von 270 Millionen Dollar, mit denen die Erforschung der Drogenabhängigkeit finanziert werden soll.
Im vergangenen Jahr starben etwa 69.000 Amerikaner an einer Überdosis Rauschmittel. Ein leichter Rückgang gegenüber 2017, doch noch immer war die Zahl der Drogentoten höher als die der in Vietnam gefallenen US-Soldaten. Ein Großteil der Todesfälle – rund 48.000 – ging auf Opioide zurück. Besonders hart trifft es Bundesstaaten im „Rostgürtel“der Industrie, West Virginia, Pennsylvania und Ohio. In Ohio soll im Oktober ein Mammutprozess starten, eine Verhandlung, bei der zwei Verwaltungsbezirke des Bundesstaats gegen eine Reihe von Herstellern klagen. Das Gerichtsverfahren in Oklahoma galt als eine Art Ouvertüre dafür.
– In die von der SDP angefachte Diskussion um Vermögenssteuern in Deutschland hat sich die OECD eingeschaltet – und sich für eine Einführung ausgesprochen. „Grundsätzlich sehen wir bei der OECD Vorteile in einer Vermögensbesteuerung“, sagte die Deutschland-Expertin der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Nicola Brandt. Hauseigene Studien zeigen ihr zufolge, „dass sie weniger verzerrend wirkt und damit weniger negative Effekte auf das Wirtschaftswachstum hat als zum Beispiel eine hohe Besteuerung von Arbeitseinkommen. Sie ist auch in der Regel verteilungsgerecht, weil Vermögen insbesondere in Deutschland sehr ungleich verteilt sind.“
Das SPD-Präsidium hatte sich zu Wochenbeginn, also knapp vor den Wahlen in Brandenburg und Sachsen am 1. September, für die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer ausgesprochen. Die SPD will ihr Profil als linke Volkspartei schärfen und so bei ihrer Stammklientel punkten. Der kommissarische SPD-Co-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel betonte, dass die SPD relativ hohe Freibeträge anstrebe, damit wirklich nur Multimillionäre und Milliardäre zur Kasse gebeten würden. Der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier lehnt das Vorhaben ab. Eine Vermögenssteuer verhindere Investitionen und gefährde Arbeitsplätze, sagte der CDU-Politiker am Dienstag.
Unternehmer dagegen
Auch in Unternehmerkreisen stößt der SPD-Vorstoß erwartungsgemäß auf wenig Zustimmung. „Insbesondere für Familienunternehmen wäre das eine existenzielle Bedrohung“, sagte etwa Erich Sixt, Chef der Autovermietung Sixt, dem Handelsblatt. In eine ähnliche Kerbe schlug auch Martin Herrenknecht: „So fördert man sicherlich kein Unternehmertum in Deutschland“, kritisierte der Vorstandschef des gleichnamigen Unternehmens, ein Erzeuger von Tunnelvortriebsmaschinen.
„In Deutschland befürworten wir konkret eine höhere Besteuerung von Grund und Boden durch Aktualisierung ihrer Bewertung, die als Steuerbemessungsgrundlage herangezogen wird“, betonte hingegen OECD-Expertin Brandt. „Es gibt auch Raum für eine höhere Erbschaftssteuer, auch für Familienunternehmen.“Die Zahlungen müssten aber richtig organisiert und genügend Zeit dafür eingeräumt werden. (Reuters, red)