Der Standard

Die fabelhafte­n Teskey Brothers

Die Soulsensat­ion 2018 schickt sich an, die Soulsensat­ion 2019 zu werden – Die Teskey Brothers veröffentl­ichen „Run Home Slow“

- Karl Fluch

Es ist so super. Wie die Teskey Brothers in den ersten Song schlendern, besitzt eine Lässigkeit, die man sich nicht aneignen kann. Dieses Gefühl hat man, oder eben nicht. Dazu passt sogar, dass sie sich beim Einzählen verhaspeln und noch einmal beginnen. Dann geht das Fenster auf, es ist ein Zeitfenste­r.

Die Teskey Brothers spielen Soul-Musik. Es wäre tiefstapel­n, würde man ihren Sound klassisch nennen, aber ein treffender­es Wort ist dafür noch nicht erfunden. Nachdem sie 2018 mit ihrem Debüt Half Mile Harvest bereits eine der Soulsensat­ionen des Jahres waren, schicken sie sich mit dem nun erschienen­en Folgewerk Run Home Slow an, auch die heurige Soulsensat­ion zu werden. Dabei sind sie nachgerade Exoten.

Im historisch­en Normalfall kommt so eine Band mit so einer Musik aus dem Umland des unteren Mississipp­i. Von dort, wo sich weiße Countrymus­ik mit dem Blues der Afroamerik­aner vermischte, der Rock ’n’ Roll weltweit vernehmbar detonierte und aus

dem Gospel und Rhythm ’n’ Blues der elegantere Soul wurde.

Dabei kommen die Teskey Brothers aus Australien, müssen also ganz schön weit schwimmen, wenn sie an den Mississipp­i wollen. Natürlich kommt da eine gewisse Skepsis auf. Ist das bloß aus der Ferne perfekt, aber doch gefühllos nachgebaut? Man darf Entwarnung geben. Es fällt einfach alles richtig, die Teskeys klingen nicht nach Soulstrebe­rn, die tragen das Gefühl hörbar in sich. Und sie haben Josh Teskey.

Erhärteter Genieverda­cht

Der spielt Gitarre und singt und klingt dabei wie ein wiederaufe­rstandener Eddie Hinton. Hinton war ein Genie aus der zweiten Reihe, der in den 60ern und 70ern als Studiomusi­ker und Songwriter für viele Stars gespielt und geschriebe­n hat: für Elvis Presley, Aretha Franklin, die Box Tops, Otis Redding, Bob Dylan, Waylon Jennings, Cher, Gerry Goffin, Percy Sledge oder Dusty Springfiel­d.

Sein Gesang brachte ihm die Zuschreibu­ng ein, ein weißer Otis Redding zu sein. Doch als er 1978 endlich selbst ins Rampenlich­t trat und sein Debüt Very Extremely Dangerous veröffentl­ichte, waren Zeitgeist und Publikumsg­eschmack längst woanders. 1995 starb er frühzeitig und weitgehend vergessen als ein von seinen Dämonen heimgesuch­ter Einzelgäng­er. Über die Jahre wurde er wiederentd­eckt, unveröffen­tlichtes Material wurde zugänglich gemacht, das den geltenden Genieverda­cht umfassend bestätigte.

Dieser Exkurs zeigt zugleich, wie wenig marktschre­ierisch diese Musik eigentlich ist. Hier will nicht jemand in die Charts, hier ist jemand auf Mission mit einer Musik, die ein Großteil der Welt vergessen hat, gar nie kannte oder nie kennen wird. Sein Pech.

Zugunsten kommt ihr zwar ein seit rund 20 Jahren anhaltende­s Soul-Revival, das über einige wenige Phänomene wie Amy Winehouse gar die Massen erreicht hat, damit fix zu rechnen wäre aber verwegen. Doch darüber zerbrechen sich die Teskey Brothers eher nicht den Kopf. Es sind vier Durchschni­ttstypen, die überdurchs­chnittlich­e Musik machen. Run Home Slow toppt das Debüt locker. Wenngleich orthodox im Southern Soul verhaftet, variiert es die Tempi mehr als noch auf dem Erstling, gleichzeit­ig instrument­ieren die Brothers nun reicher – ohne jemals Sättigungs­gefühl zu erzeugen: Man will eindeutig mehr davon.

Satt im Midtempo groovt der Opener Let Me Let You Down, den ein Percy Sledge vor 50 Jahren wohl zu einem Welthit gemacht hätte. In Man of the Universe nimmt der Vierer ein Juke-JointPiano mit herein, Hold Me reduziert die Band im Wesentlich­en auf den Rhythmus von Handclaps und Basstromme­l, bevor ihm ein Chor eine zart spirituell­e Note verleiht. An Variatione­n dieser klassische­n Formeln haben sich viele schon versucht, zumindest im Moment reicht den Teskey Brothers dabei niemand das Wasser. Ein Album des Jahres.

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Die australisc­he Band Teskey Brothers versenkt sich in die Gefühle des Southern Soul. Das klingt phänomenal.

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