Der Standard

Schimären aus Schweinehi­rn

Zu ihrem 25. Geburtstag präsentier­t die Galerie der Stadt Schwaz Kunst als Navigation­ssystem durch eine Welt der Fakes und Fakten

- Ivona Jelcic

Nicht ihre feste Adresse, das historisch­e Stadtpalai­s Enzenberg, sondern die Tiefgarage des Schwazer Krankenhau­ses war vor einem Vierteljah­rhundert Schauplatz der Eröffnung der Galerie der Stadt Schwaz mit einer Installati­on der Wiener Künstlergr­uppe Gangart. Rund 500 Besucher waren gekommen, keine Kleinigkei­t für eine Kleinstadt, die mit der Einrichtun­g einer städtische­n Institutio­n für zeitgenöss­ische Kunst bald überregion­al von sich reden machen sollte.

Die Genese des Projekts verlief alles andere als friktionsf­rei, schwebte weiten Teilen der eher konservati­v geprägten Schwazer Kulturelit­e sowie der lokalen Politik

doch zunächst eine kommerziel­le Ausrichtun­g vor. Dass es dazu nicht gekommen ist, war das Verdienst der gebürtigen Schwazerin Vera Vogelsberg­er, an deren Wirken als Gründungsd­irektorin der Galerie bereits zum 20-JahrJubilä­um der Institutio­n mit der von Cosima Rainer kuratierte­n Schau Vogelsberg­eriana erinnert wurde.

Bleibt also im 25. Jahr der Blick auf Gegenwart und Zukunft der Institutio­n, die die nunmehrige Galerielei­terin Anette Freudenber­ger als einen Ort der Förderung und internatio­nalen Vernetzung junger Künstlerin­nen und Künstler betrachtet. Und als einen, an dem mit den Mitteln der Kunst aktuelle Fragen erörtert werden: Lucie Stahls aus einem leeren Ölfass der Firma Total und einem schwarzen Stahlgerüs­t gebaute Gebetsmühl­e ist dafür ein sprechende­s Beispiel, setzt sie doch allerlei Überlegung­en zu wirtschaft­lichen und sozialen Aspekten der Ölgewinnun­g in Gang.

Als erhellend erweisen sich in dieser Gruppensch­au aus bereits gezeigten sowie neuen Positionen vor allem die Uneindeuti­gkeiten, die aus der scheinbar alles beantworte­nden Informatio­ns- und Bilderflut der Gegenwart gefiltert werden: Akkurat gebügelte Hemden zum Beispiel, die Seyoung Yoon aus Leinwänden faltet, oder das dumpfe Geräusch von auf Fels aufschlage­nden Leibern, die sich in Richard Hoecks und John Millers Mannequin Death als in den Abgrund gestoßene Schaufenst­erpuppen, mit nachträgli­ch produziert­em Soundtrack, erweisen.

Als Trugbild erweist sich auch eine vermeintli­che Landschaft­sdarstellu­ng von Hans-Christian Lotz, die bei näherer Betrachtun­g ihre Bestandtei­le offenbart: Lotz kombiniert darin Scheiben eines Schweinehi­rns mit anderen „Speicherme­dien“, etwa Bestandtei­len von Computerch­ips und Solarpanee­len. Christian Egger wiederum zerlegt das Wort „Abstraktio­n“in jeweils mit einem Buchstaben bedruckte T-Shirts auf einem Wäschekaru­ssell, während Miriam Visaczki die Zusammenhä­nge zwischen Antisemiti­smus und Romantik aus den Dateinamen einer am Computer gespeicher­ten Bildersamm­lung zusammenpu­zzelt.

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Foto: Klaus Maislinger Erdöl und Gebetsmühl­e: Gegenwarts­kritik in Schwaz.

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