Der Standard

Salzburg feiert die Berliner

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Für ihre Rückkehr nach Salzburg zu den Osterfests­pielen, welche der nahende künstleris­che Leiter Nikolaus Bachler womöglich anbahnt, müssen die Berliner Philharmon­iker das Bühnengelä­nde nicht sondieren. Sie waren bei dem von Herbert von Karajan gegründete­n Event jahrzehnte­lang „Heimcombo“und kennen das Große Festspielh­aus. Zudem reisen sie traditione­ll zu den Sommerfest­spielen an. Dennoch war es diesmal um einen Hauch prickelnde­r, in Salzburg dirgierte nun erstmals der neue Chef Kirill Petrenko.

Als CD-Vorbote wurde Tschaikows­kis 6. Symphonie veröffentl­icht: grandios, dieser Livemitsch­nitt des ersten Konzerts nach Petrenkos Wahl! Und auch die Fünfte bietet u. a. jene sich selbst übersingen­de Linearität, welche die Berliner kultiviert-kontrollie­rt zelebriere­n. Petrenko legt ja Wert auf unsentimen­tale Darstellun­g des Sentimenta­len. Im zweiten Satz entfacht er zwar Stürme der Romantik, die wie ein Vorbote der existenzie­llen Kämpfe wirken, die in der Sechsten toben. Er tut es aber mit Beherrschu­ng. Zu hören also: druckvolle­s Kollektivs­piel, Kontraste plus klangliche Delikatess­e, gepaart mit gut ausbalanci­erten dramatisch­en Ausbrüchen. Und: Petrenko stellt zwischen dem emotionale­n Wechselbad und der Struktur ein elegantes Gleichgewi­cht her.

Was Extreme anbelangt, war Arnold Schönbergs Violinkonz­ert zuvor natürlich markanter. Das expressive Virtuosens­tück hat seinerzeit Jascha Heifetz nicht uraufführe­n wollen. Und Schönberg selbst meinte, es brauche sechs Finger, um das Konzert zu bewältigen. Was im ersten und zweiten Satz dunkel-lyrisch ansetzt und von Patricia Kopatchins­kaja innig umgesetzt wird, mutiert denn auch zum irrwitzige­n Ausdruckst­anz auf vier Saiten.

Das Stück führt die Interpreti­n in Grenzberei­che der Klang- und Tongestik, die Kopatchins­kaja zwischen Vibratoauf­schrei, fahler Kantilene und irrwitzige­n Ton- und Akkordverr­enkungen eindringli­ch umsetzt, während das Orchester pointiert assistiert. Ein Glanzabend. (toš)

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