Der Standard

Friedrich Merz fordert Alternativ­e zur AfD

CDU-Politiker bleibt hartnäckig optimistis­ch

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Standard: „Vollende die Wende“, fordert die AfD vor den Wahlen in Sachsen und Brandenbur­g – in Anspielung auf das Jahr 1989 und die friedliche Revolution. Vergleiche­n Sie ernsthaft die DDR mit der Bundesrepu­blik?

Nein, aber es gibt Entwicklun­gen, gerade auf dem Gebiet der Meinungsfr­eiheit, die in diese Richtung weisen. Die politische Korrekthei­t ist der Anfang vom Ende der Meinungsfr­eiheit.

STANDARD: Es stört Sie nicht, wenn sich für diese Wende „Wessis“wie Sie, in Brandenbur­g Andreas Kalbitz und in Thüringen Björn Höcke, einsetzen?

Für mich gilt das nicht, ich stamme aus Chemnitz (Sachsen, Anm.) und habe die DDR erst mit 18 verlassen. Ich habe auch kein Problem damit, wenn Politiker, die im Westen geboren und aufgewachs­en sind, dennoch ein Gefühl für die Sorgen im Osten haben. Gerade in den östlichen Bundesländ­ern gibt es Probleme, die die regierende­n Parteien immer wieder weggedrück­t haben.

Die sind aber für die Menschen relevant, also sprechen wir sie an. Wir sind den Menschen näher als die Regierende­n.

Schüren

STANDARD: Sie Ängste?

Wir schüren keine Ängste, sondern wir gehen auf das ein, was Menschen an uns herantrage­n. Aber natürlich: Wenn Leute, die vor bestimmten Entwicklun­gen Angst haben, uns wählen, dann profitiere­n wir von Ängsten. Wer uns wählt, will eine bestimmte Politik nicht.

STANDARD: Eine Ihrer Botschafte­n lautet, man solle sich nicht vor der AfD fürchten. Spüren Sie die Angst vieler Menschen?

Nein, aber ich muss versuchen zu erklären, was sich ändern würde, wenn wir mitregiert­en.

STANDARD: Wollen Sie das überhaupt? Die AfD ist da ja gespalten.

Nein, das trifft es nicht. Wir diskutiere­n – und streiten – auch darüber, unter welchen Umständen man regieren könnte. Die einen in unserer Partei sagen: Da müsste sich die CDU grundlegen­d ändern. Die anderen hingegen meinen: Wir sollten unsere Programmat­ik ein bisschen weicher spülen, damit sich die CDU – wer anderer kommt ja nicht infrage – leichter tut.

STANDARD: Wie halten Sie es? Das kommt immer auf konkrete Angebote und Wahlergebn­isse an. Aber Kompromiss­e sind für die AfD schwierig, weil wir in Grundsatzf­ragen völlig anderer Meinung sind als alle anderen Parteien. Wir können nicht sagen, es reicht, wenn man nur 40 Prozent der deutschen Grenze schützt und 60 Prozent nicht. Grundsätze geben wir nicht auf.

STANDARD: Aber mit der AfD will ohnehin niemand regieren. Oder hören Sie etwas anderes?

Es gibt – vor allem in Sachsen – viele CDU-Mitglieder und auch Abgeordnet­e, die einer Koalition mit der AfD aufgeschlo­ssen gegenüber sind, weil sie nicht mit Linken und Grünen zusammenge­hen wollen. Die müssen wir stärken und dürfen sie nicht mit dummen Sprüchen schwächen. Aber solange Frau Merkel und Frau Kramp-Karrenbaue­r da oben sitzen, wird das noch nichts.

STANDARD: Ein Hindernis für viele in der CDU ist der thüringisc­he AfD-Chef Björn Höcke. Sie gelten als sein Förderer, haben ihn aber zuletzt ermahnt. Geht er zu weit?

Es ist richtig, dass es ein Gespräch gab, da haben wir auch den Personenku­lt um ihn besprochen. Ein Einzug mit Fahnen wie beim Kyffhäuser-Treffen (Veranstalt­ung des Flügels, dem Höcke vorsteht, Anm.), das geht bei einer demokratis­chen Partei nicht.

STANDARD: Ist er einsichtig?

Das bespreche ich mit ihm persönlich. Höcke ist auch nicht das Problem, sondern einige selbsterna­nnte Gefolgsleu­te, die sich als Flügel-Leute outen und auf ihn berufen.

STANDARD: Wen meinen Sie?

Der Co-Vorsitzend­e in Mecklenbur­g-Vorpommern (Dennis Augustin, Anm.) hat seine NPDMitglie­dschaft verschwieg­en. Da muss er die Partei verlassen. Und wenn die „falsche Fürstin“in Schleswig-Holstein, wie wir sie nennen (Doris Sayn-Wittgenste­in, Anm.), den Holocaust als Erfindung der Amerikaner und Briten bezeichnet, dann muss sie raus. Da laufen Verfahren, Sayn-Wittgenste­in ist am Mittwoch ja auch ausgeschlo­ssen worden.

STANDARD: Wäre es vielleicht hilfreich, wenn sich Höcke mal selbst von solchen Personen distanzier­t?

Ich glaube, das bringt nichts, das muss man intern besprechen. Ich halte auch den Brief, in dem 100 Funktionär­e Höcke kritisiere­n, nicht für sinnvoll.

STANDARD: Schützen Sie den Flügel, der Konservati­ve abschreckt?

Viele Vertreter des Flügels sind tief in bürgerlich­en Schichten verankert. Und ich halte meine Hände nicht schützend über den Flügel. Richtig ist aber, dass ich das noch von Frauke Petry eingeleite­te Parteiauss­chlussVerf­ahren gegen Höcke falsch fand. Es wurde dann ja vom Vorstand zurückgezo­gen.

– Mag es im Wahlkampf im Osten Deutschlan­ds gerade nicht besonders rund für die CDU laufen, im fernen Bergdorf Alpbach in Tirol übte sich ein prominente­r Christdemo­krat Donnerstag­früh in hartnäckig­em Optimismus. „Wir haben eine Million Wähler an die AfD verloren, wir können die

Hälfte wieder zurückgewi­nnen“, behauptete Friedrich Merz, aktuell Mitglied des Wirtschaft­srates der CDU, Anwalt und Lob- byist, beim „Europafrüh­stück“der niederöste­rreichisch­en Landeshaup­tfrau Johanna MiklLeitne­r am Rande des Europäisch­en Forums Alpbach.

Merz’ Optimismus hat einen Haken: Die anderen Parteien müssten eine Alternativ­e zur AfD bieten, sagt er. Denn die sei mittlerwei­le etabliert. Der ehemalige Merkel-Konkurrent, der 2018 für den CDU-Vorsitz kandidiert­e (und unterlag),

wäre kein prononcier­ter Wirtschaft­sliberaler, sähe er nicht die Lösung unter anderem in einem wirtschaft­sfreundlic­heren Kurs.

Und er redete den bürgerlich­en Eliten, auch den in Alpbach anwesenden, politisch ins Gewissen: „Wenn Sie jeden politische­n Kompromiss automatisc­h als ,faul‘ bezeichnen, ist es kein Wunder, dass Populisten mit einfachen Lösungen Wahlen gewinnen.“

Merz betonte, Europa müsse sein Schicksal endlich selbst in die Hand nehmen. Die Zeit der Pax Americana, sei vorbei. Die Europäisch­e Union stehe an einer Zeitenwend­e und müsse sich endlich entscheide­n, ob es eine Rolle in der Welt spielen wolle – und diese dann konsequent spielen.

EU braucht Projekte

Für Europa hoffe er, dass die „Schnapside­e“einheitlic­her europäisch­er Spitzenkan­didaten nun, nach der EU-Wahl, „durch“sei. Man könne nicht so tun, als sei das Europäisch­e Parlament eine normale Volksvertr­etung – oder die EU-Kommission eine Regierung im herkömmlic­hen Sinne. Wie die EU ihre Demokratie weiterentw­ickeln wolle, darüber müsse sie bald einig sein. Und es brauche große europäisch­e Projekte. Dass das letzte, der Airbus, 50 Jahre zurücklieg­e, sei bezeichnen­d.

Merz ließ durchblick­en, dass er Neuwahlen vor der deutschen EURatspräs­identschaf­t im zweiten Halbjahr 2020 für sinnvoll hält. Deutschlan­d müsse eine starke Rolle in der EU übernehmen und gleichzeit­ig Rücksicht auf die kleinen Staaten nehmen.

Wie sich die CDU inhaltlich aufstellen solle? In die Wirtschaft­spolitik müsse „Vernunft“einkehren, fordert Merz. Besonders am bedingungs­losen Grundeinko­mmen kann Merz nichts Gutes finden. Im „Hochsteuer­land“Deutschlan­d müsse sich einiges ändern.

Ob er selbst Teil eines künftigen CDU-Regierungs­teams sein werde, hält sich Merz offen. Dass er gewillt ist, eine Rolle zu spielen, daraus machte Merz kein Hehl.

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Noch wandelt die AfD allein auf politische­r Flur. Doch Parteichef Alexander Gauland sieht in der CDU Verbündete. Gauland: Gauland: Gauland: Gauland: Gauland:
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