Londoner Machtspiele
Parlament will Johnsons Chaos-Brexit-Pläne vereiteln
Vor dem ersten Schlagabtausch im Parlament hat Boris Johnson die Opposition innerhalb und außerhalb der Konservativen Partei erneut gezielt unter Druck gesetzt. Rebellen in den eigenen Reihen droht offenbar der Fraktionsausschluss. Die oppositionelle Labour Party kündigte für Dienstag ein Gesetz an, das den No-Deal-Brexit illegal machen soll. Es soll beide Parlamentskammern passieren, ehe die von Johnson verordnete Zwangspause in Kraft tritt. Zehntausende Menschen gingen gegen die Parlamentspause auf die Straße.
Die Opposition vermutet hinter Johnsons Vorgehen den Versuch, das Parlament in der Brexit-Debatte kaltzustellen und um jeden Preis den Chaos-Brexit durchzusetzen. Am Dienstag entscheiden die höchsten Gerichte von Nordirland und Schottland über Eilanträge, mit denen die Maßnahme als illegal aufgehoben würde.
Die mit anderen Oppositionsfraktionen abgestimmte Initiative am ersten Sitzungstag des Unterhauses nach der Sommerpause sei „mit ziemlicher Sicherheit die letzte Chance“, den No-Deal-Kurs zu stoppen, betonte Labours Brexit-Sprecher Keir Starmer.
Entrüstung erntete Kabinettsminister Michael Gove. Der enge Verbündete
Johnsons mochte keine Garantie abgeben, dass sich die Regierung an das Gesetz, sollte es denn rechtzeitig erlassen werden, halten würde: „Schauen wir einmal.“
Zwar leitet Johnson eine Minderheitsregierung, er kann sich aber bei strittigen Brexit-Entscheidungen auf zehn nordirische Unionisten sowie auf eine Handvoll von EU-Gegnern bei Labour verlassen. Die Opposition braucht deshalb die Unterstützung von mindestens 20 Liberalkonservativen. Darunter sind viele Ex-Minister aus dem Kabinett von Johnsons Vorgängerin Theresa May. Diese potenziellen Rebellen wollte aber auch Johnson am Montag in persönlichen Gesprächen umgarnen.
Dublin unbeeindruckt
Anders als beim Regierungsantritt vor sechs Wochen behauptet will London nun doch ohne Bedingungen über eine Änderung des EU-Austrittsvertrags verhandeln. Johnson forderte die EU auf, den neuen Brexit-Unterhändler zweimal wöchentlich zu empfangen. Allerdings gibt man sich in Brüssel ratlos, worüber David Frost mit dem Team um Michel Barnier eigentlich reden wolle.
Wenig beeindruckt zeigte sich am Sonntag der irische Vizepremier Simon Coveney von Johnson: Dublin werde sich „nichts vorschreiben lassen“.