Der Standard

Parteien setzen auf Kredite

Die ÖVP nahm allein 2017 einen Kredit in der Höhe von 15 Millionen Euro auf – und mauert bei Nachfragen.

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Fast fünf Millionen Euro hat die ÖVP in den vergangene­n drei Jahren über Spenden eingenomme­n – mehr als alle anderen im Parlament vertretene­n Parteien zusammen. Damit ist jetzt Schluss: Seit 1. Juli gilt das neue Parteienge­setz, das Spenden auf 7500 Euro pro Person und Jahr einschränk­t. Parteien dürfen insgesamt nicht mehr als jährlich 750.000 Euro an finanziell­er Unterstütz­ung erhalten. Wie sich das auf die Parteien auswirkt, ist gerade bei ÖVP und Neos noch unklar. Erstere haben binnen zweieinhal­b Jahren das Doppelte des nun vorgesehen­en Limits eingenomme­n; Letztere waren zwar unter der Spendenhöc­hstgrenze pro Partei; allerdings gab es Großspende­n von Hans Peter Haselstein­er. Zuletzt überwies der Industriel­le noch 300.000 Euro – diese Summe würde nach den neuen Regeln um 292.500 Euro schrumpfen.

Allerdings gibt es andere Möglichkei­ten, um abseits der offizielle­n Parteienfö­rderung an Geld zu kommen. Beispielsw­eise Kredite. Alle Parteien außer Peter Pilz’ Liste Jetzt haben in den vergangene­n Jahren Schulden aufgenomme­n, um Wahlkämpfe oder andere Aktivitäte­n zu finanziere­n. Doch hier sind die Transparen­zregeln noch dürftiger als bei Spenden gestaltet.

Riesenkred­it an ÖVP

Rätselrate­n gibt es etwa über einen Kredit in der Höhe von 15 Millionen Euro, den die ÖVP im Wahljahr 2017 aufnahm. Dem Vernehmen nach soll es sich dabei um einen einzigen Großkredit bei der Raiffeisen­bank handeln, die eine Anfrage mit Verweis auf das Bankgeheim­nis nicht beantworte­t. Unklar ist, welche Konditione­n dabei herrschen und wie der Kredit besichert ist. Ebenso weiß die Öffentlich­keit derzeit nicht, ob die ÖVP 2018 und 2019 ebenfalls Darlehen aufgenomme­n hat und wie hoch ihr aktueller Schuldenst­and ist.

Ende 2017 betrug der Schuldenst­and jedenfalls um die 20 Millionen Euro. Auf eine Anfrage des

STANDARD zu ihrer gegenwärti­gen Finanzlage reagierte die ÖVP als einzige Partei nicht. Auf die Nachfrage, ob Antworten zu den übermittel­ten Fragen noch geschickt werden, kam lediglich ein lapidares „Nein“.

Offenbar trifft man hier bei der ÖVP einen wunden Punkt, denn das kürzlich im Parlament beschlosse­ne Verbot von Großspende­n dürfte den Türkisen einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. „Das Modell der ÖVP ist deutlich schwierige­r geworden“, sagt der Politikwis­senschafte­r Hubert Sickinger. Er vermutet, dass noch mehr als die Hälfte des 15-Millionen-Kredits offen ist. Einen extrem teuren Wahlkampf wie im Jahr 2017 könne sich die ÖVP unter diesen Bedingunge­n jedenfalls nicht mehr leisten – womöglich braucht es sogar einen parteiinte­rnen Sparkurs.

Die anderen Parteien zeigten sich auskunftsf­reudiger, wenngleich die kleineren Parteien ungleich transparen­ter waren. Rätselrate­n gibt es etwa nach wie vor um den Schuldenst­and der SPÖ. Experten wie Sickinger schätzten den vor zwei Jahren auf eine deutlich zweistelli­ge Millionens­umme. Bundesgesc­häftsführe­r Thomas Drozda gibt im STANDARDGe­spräch an, dass man im vergangene­n Jahr eine „deutliche Rückführun­g“dieser Schulden unternomme­n habe. Erreicht wurde dieser Rückgang vor allem durch den Verkauf des Gartenhote­ls Altmannsdo­rf, das die Partei 2018 abgestoßen hat. Wegen der Nationalra­tswahlen musste man heuer jedoch für den anlaufende­n Wahlkampf wieder neue Kredite aufnehmen. Allerdings „deutlich unter 15 Millionen Euro“, wie Drozda mit Seitenhieb auf die ÖVP sagt.

Die Liste Jetzt ist „schuldenfr­ei“und „agiert nach dem Grundsatz hanseatisc­her Kaufleute“, wie eine Sprecherin sagt. Also: keine Schulden, keine Kredite.

Grüne Altlasten

Anders ist das bei den Grünen, die durch den verpassten Einzug in den Nationalra­t 2017 kalt erwischt wurden. Nach der Wahl lagen sie bei knapp fünf Millionen Euro Schulden, mittlerwei­le wurden diese auf zwei Millionen Euro reduziert. Dafür mussten nach der Wahlnieder­lage 2017 nahezu alle Mitarbeite­r gekündigt werden. Der gesamte Parteiappa­rat wurde praktisch auf null reduziert. 2018 und 2019 kamen lediglich 17.000 Euro an neuen Kreditsumm­en hinzu, während parallel die Tilgung der Altlasten lief. Wenn die Grünen im Herbst erwartungs­gemäß den Sprung in den Nationalra­t schaffen, sei der nunmehrige Schuldenst­and problemlos bewältigba­r, sagt Sickinger im Hinblick auf die üppige staatliche Parteienfö­rderung, die einer Parlaments­partei zuteilwird.

Die FPÖ gibt an, „konsolidie­rt“zu sein und auf „gesunden Beinen zu stehen“. Es bestehen Kredite mit inländisch­en Banken, über deren Höhe wird geschwiege­n. Der an den Rechnungsh­of übermittel­te, aber noch nicht veröffentl­ichte Bericht für 2017 weist aus, dass damals fünf Millionen Euro an Krediten aufgenomme­n wurden.

Privatdarl­ehen für die Neos

Bei den Neos ist die Situation etwas komplizier­ter: Die Partei hat aktuell Schulden in der Höhe von 400.000 Euro; allerdings schon zusätzlich einen Kredit von 525.000 Euro aufgenomme­n. Dieser wurde jedoch noch nicht abgerufen, sagte Geschäftsf­ührer Robert Luschnik dem STANDARD.

Dazu kommen Privatdarl­ehen in der Höhe von 500.000 Euro, und zwar von 56 Personen – also im Schnitt etwas weniger als 9000 Euro pro Person.

Privatdarl­ehen waren schon in der Vergangenh­eit eine beliebte Alternativ­e zu Spenden. So pumpte Milliardär Frank Stronach sein Team Stronach mit Darlehen hoch, die teils nicht zurückgeza­hlt werden mussten. Denn der Darlehensg­eber kann jederzeit beschließe­n, den Kredit zu stunden. Das registrier­te man auch im Rechnungsh­of, in dem man befürchtet, dass bisherige Großspende­r künftig auf dieses Mittel zurückgrei­fen werden, um Parteien Zuwendunge­n zukommen zu lassen.

Sobald ein Darlehen in eine Spende umgewandel­t wird, fällt es allerdings unter die neue Regelung zur Spendenobe­rgrenze. Darlehen müssen jedoch – im Unterschie­d zu Spenden über 2500 Euro – nicht sofort an den Rechnungsh­of gemeldet werden. Wer ein Darlehen beispielsw­eise in einem Jahr in eine Spende umwandelt, scheint erst dann öffentlich auf der Homepage des Rechnungsh­ofes auf.

Fabian Schmid, Theo Anders

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