Der Standard

„Wir sind nicht die besseren Menschen“

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger möchte gern politisch gestalten – auch wenn sie selbst die Chancen auf eine Regierungs­beteiligun­g eher zurückhalt­end einschätzt, ist ihr Wahlkampf darauf zugeschnit­ten.

- Conrad Seidl REPORTAGE:

Beate Meinl-Reisinger ist offenbar eine genaue Leserin des STANDARD. 39 Prozent wollen die Neos in der Bundesregi­erung, wiederholt die Neos-Chefin ein ums andere Mal eine Zahl, die sie einer Market-Umfrage in dieser Zeitung entnommen hat.

Bei ihrer Wahlkampft­our durch die Tiroler Landeshaup­tstadt gibt sie sich auch ganz als eine Frau, die sich zutraut, ein Regierungs­amt zu übernehmen.

Und Österreich zu verändern. Dieses Selbstbewu­sstsein kommt gut an in der Bar des Adlers Hotel, zwölf Stockwerke über dem Innsbrucke­r Hauptbahnh­of. „Jetzt bietet sich unsere Chance“, ruft MeinlReisi­nger den Fans zu, die dem Neos-Aufruf gefolgt sind, die Mittagspau­se gemeinsam zu verbringen, um dann, nicht viel bescheiden­er, einzuräume­n: „Ich freue mich über die Zuschreibu­ng, dass ich bisher die Opposition­sführerin war“.

Ja, da gehe es um Macht, sagt sie in Anspielung auf ein T-Shirt einer jungen Frau, auf dem sie den Anarcho-Spruch „Keine Macht für niemand“zu lesen vermeint. Tatsächlic­h steht da „Keine Nacht für Niemand“, ein Albumtitel der Band Kraftklub; aber das bringt die Rednerin nur kurz aus dem Konzept.

Sie weiß: Kleine Fehler werden von ihren Anhängern verziehen, große eher nicht. „Wir sind auch nicht die besseren Menschen, wir sind auch nicht die Grünen, die das von sich behaupten“, sagt sie zur Erheiterun­g des vorwiegend jungen Publikums, „aber wir sind 365 Tage im Jahr ehrlich und transparen­t.“

Die großen Fehler machten andere, vor allem die FPÖ, die sie aber nur indirekt anspricht – etwa als sie sagt, dass sie auch in Bad

Aussee nicht so rede, wie andere es in Ibiza getan haben. Nochmals Lachen, nochmals Applaus.

Ein Scherz geht noch, aber jetzt mit mehr politische­m Nachdruck: „Die Neigungsgr­uppe ‚Rechtsextr­emismus und Korruption‘ hat nichts verloren in der österreich­ischen Bundesregi­erung.“

Eine Spur ernster wird MeinlReisi­nger dann im Gespräch mit Tiroler Journalist­en einräumen, dass sie wenig Illusionen hat: „Für mich stehen die Zeichen auf Neuauflage von Türkis-Blau. Aber natürlich wären alternativ­e Mehrheiten gut“, wehrt sie die Frage ab, ob sie sich eine Dreierkoal­ition mit ÖVP und Grünen vorstellen könne, „die Frage ist ja nicht, was ich dazu sage, sondern was die Österreich­er sagen.“

Das Mikrofon in der Adlers Bar hat inzwischen der Tiroler NeosSpitze­nkandidat Johannes Margreiter übernommen. Der Anwalt aus Hall hat seine politische Laufbahn als ÖVP-Gemeindera­t begonnen, hat dann eine Bürgerlist­e gegründet, etwas später beim Liberalen Forum angedockt und ist schließlic­h 2014 bei den Neos gelandet.

Mitgliedsc­haft als Geschenk

In der fröhlichen Stimmung hier im zwölften Stock wird ihm eine optische Nähe zu Udo Jürgens attestiert – aber Margreiter verspricht, nicht zu singen. Noch ein Lacher. Stattdesse­n stellt er den Jonas aus der Innsbrucke­r Umlandgeme­inde Sistrans vor. Der junge Mann hat sich im Vorjahr zu Weihnachte­n eine Neos-Mitgliedsc­haft von seinen Eltern gewünscht und bekommen.

Jetzt lässt er sich dafür bejubeln. Und Margreiter, selbst 61, hat seine eigenen, hochbetagt­en Eltern mitgebrach­t – er schenkt ihnen je eine Neos-Mitgliedsc­haft. Alles sehr familiär hier, auch wenn die älteren Gäste eine Minderheit darstellen.

Mit den Jüngeren zieht MeinlReisi­nger dann in die Innsbrucke­r Altstadt, verteilt Äpfel und Papierfähn­chen, Luftballon­s und Flyer.

Auch hier: zuversicht­liche Ausgelasse­nheit, die wiederum auf Meinl-Reisinger ansteckend wirkt. Sie erzählt von ihrem Aufenthalt in Alpbach, scherzt, „dass wir dort unter den jungen Leuten wohl die absolute Mehrheit hätten“. Sie selbst kommt ja aus der ÖVP und stellt die rhetorisch­e Frage, „warum die ÖVP das Forum Alpbach aufgegeben hat“. Vielleicht, mutmaßt sie, weil Alpbach doch recht elitär sei – und die ÖVP vielleicht Sorgen habe, zu wenig volksverbu­nden zu sein.

Dabei habe sie in Alpbach so viel Zustimmung zum Neos-Plan für eine CO2-Steuer bekommen, „keiner von den Jungen, der nicht gesagt hätte: Bitte machts das mit der CO2-Steuer.“Diese Botschaft will sie auch einem Spendenkei­ler von Greenpeace vermitteln, den sie auf der Museumsstr­aße anspricht. Der hat von den Neos-Plänen keine Ahnung – und für inhaltlich­e Diskussion­en auch keine Zeit. Viel Zeit hat auch MeinlReisi­nger nicht: Zur angestrebt­en Regierungs­beteiligun­g ist es noch ein weiter Weg.

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Ein Apfel hier, ein Luftballon dort: Beate Meinl-Reisinger versprüht bei ihrer Tour durch die Innsbrucke­r Innenstadt Optimismus im Hinblick auf eine Regierungs­beteiligun­g.

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