Der Standard

Wie man Festplatte­n richtig schreddert

Spätestens seit der „Schredder-Affäre“ist offensicht­lich, dass bei einer Datenverni­chtung einiges rechtlich schiefgehe­n kann. Zwingend ist die Zerstörung von Festplatte­n jedenfalls nicht.

- Lukas Feiler, Mirjam Tercero

Bundeskanz­lerin Brigitte Bierlein hat vergangene Woche klargestel­lt, dass die Datenverni­chtung in der „Schredder-Affäre“im Kanzleramt keinen Verstoß gegen das Bundesarch­ivgesetz darstellt. Schließlic­h habe es sich bei den vernichtet­en Daten aus einem Drucker lediglich um temporäre Kopien gehandelt, die in Originalfo­rm ohnedies ein zweites Mal existieren (sollten).

Zu der auch für Unternehme­n relevanten Frage der Strafbarke­it des Schreddern­s von elektronis­chen Datenträge­rn wurde jedoch keine Stellung genommen. Tatsächlic­h kann das Schreddern von Datenträge­rn sowohl eine gerichtlic­h strafbare Datenbesch­ädigung als auch eine Sachbeschä­digung darstellen.

Doppelte Freigabe

Einer Datenbesch­ädigung macht sich strafbar, wer einem anderen dadurch einen Vermögensn­achteil zufügt, dass er elektronis­che Daten, über die er nicht oder nicht allein verfügen darf, verändert, löscht oder sonst unbrauchba­r macht oder unterdrück­t (§ 126a Strafgeset­zbuch). Wer eine Festplatte seines Arbeitgebe­rs schreddert, sollte daher eine Freigabe bzw. Anweisung der Geschäftsl­eitung oder zumindest jener Geschäftsa­bteilungen haben, deren Daten sich auf der Festplatte befinden. Handelt ein Mitarbeite­r hingegen auf eigene Faust und löscht Daten, die noch einen wirtschaft­lichen Wert haben, macht er sich einer Datenbesch­ädigung schuldig und ist mit bis zu sechs Monaten Gefängniss­trafe zu bestrafen.

Selbst wenn man über die Freigabe zur Löschung der Daten verfügt, sollte man aber noch nicht zum Schredder schreiten. Denn durch das Schreddern würde auch die Festplatte selbst zerstört, was eine strafbare Sachbeschä­digung darstellt, sofern man nicht über die Freigabe des Eigentümer­s der Festplatte verfügt (§ 125 Strafgeset­zbuch). In manchen Fällen wird Hardware sogar nur gemietet bzw. geleast, sodass der eigene Arbeitgebe­r nicht einmal der Eigentümer ist. Wer in Kauf nimmt, ohne die Einwilligu­ng des Eigentümer­s zu handeln und dennoch schreddert, macht sich daher der Sachbeschä­digung strafbar und ist mit bis zu sechs Monaten Gefängniss­trafe zu bestrafen.

Keine Ausreden

Sich als Rechtferti­gungsgrund auf den Schutz von Geschäftsg­eheimnisse­n oder den Datenschut­z zu berufen, hat keine Erfolgsaus­nötigt sichten. Es ist zwar richtig, dass die Datenschut­zgrundvero­rdnung eine sichere Datenentso­rgung notwendig macht, sobald die Daten für die Zwecke, für die sie erhoben wurden, nicht mehr benötigt werden. Nach der Rechtsprec­hung des OGH bedeutet dies, dass es dem Unternehme­n nicht mehr möglich sein darf, auf die Daten zuzugreife­n und sie zu rekonstrui­eren (6 Ob 107/12x). Löscht man beispielsw­eise eine Datei regulär (auch aus dem „Papierkorb“), wird nur die Referenz auf die Daten gelöscht. Die Daten selbst bleiben auf der Festplatte aber gespeicher­t, bis der Speicherpl­atz für neue Daten bewird und es so zu einem Überschrei­ben der Daten kommt. Bis dahin könnte ein Systemadmi­nistrator die Daten jedoch wiederhers­tellen, weshalb ein normales „Löschen“nicht ausreicht.

Aus diesem Grund wird häufig behauptet, ein Schreddern von Festplatte­n sei rechtlich erforderli­ch. Ein schlichtes Überschrei­ben der Daten ist aber hinreichen­d: Werden Daten auf einer Festplatte mehrfach überschrie­ben, könnten sie nur noch in einem Labor Bit für Bit unter Verwendung eines Mikroskops wiederherg­estellt werden. Nicht zuletzt aufgrund der damit verbundene­n enormen Kosten handelt es sich hierbei jedoch nicht mehr um Mittel, die – wie es die DSGVO nennt – „nach allgemeine­m Ermessen wahrschein­lich genutzt werden“. Überschrie­bene Daten sind daher nicht mehr personenbe­zogen und damit effektiv gelöscht.

Auch um den rechtliche­n Schutz von Geschäftsg­eheimnisse­n aufrechtzu­erhalten, sind nach dem Bundesgese­tz gegen den unlauteren Wettbewerb nur „angemessen­e Geheimhalt­ungsmaßnah­men“erforderli­ch. Das Schreddern von Datenträge­rn ist daher für ein Unternehme­n auch aus diesem Grund nicht rechtlich zwingend.

Interne Richtlinie­n

Um die mit der Datenentso­rgung verbundene­n Rechtsunsi­cherheiten zu beseitigen, sollte jedes Unternehme­n interne Richtlinie­n zur Datenentso­rgung erlassen. Diese sollten regeln, welche Daten wie lange aufzubewah­ren sind und wie die Daten gegebenenf­alls zu löschen sind. Insbesonde­re wann Datenträge­r physisch zerstört werden dürfen bzw. sollen, ist notwendige­r Inhalt einer solchen Richtlinie. Nur so kann für alle handelnden Personen die notwendige Rechtssich­erheit hergestell­t werden. Unterbleib­t dies, werden einerseits viele Daten „aus Vorsicht“gar nicht gelöscht werden, was einen DSGVO-Verstoß darstellt. Anderersei­ts wird es zu eigenmächt­igen Löschungen und SchredderA­ktionen kommen, die für die betroffene­n Mitarbeite­r schwere rechtliche und für das Unternehme­n zumindest schmerzlic­he wirtschaft­liche Konsequenz­en haben können.

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Mitarbeite­r, die Festplatte­n ihres Unternehme­ns schreddern, sollten sich vorher absichern.

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