Der Standard

Sparen auf dem Rücken der Kinder

Gewalt an Schulen ist offenbar egal, die Bundesbehö­rde streicht Sozialarbe­iter

- Petra Stuiber

Es ist eine dieser Geschichte­n, die man viel zu oft hört: „15-jähriger Bursch misshandel­te Mitschüler“. Dieser Fall sorgte allerdings ob seiner Schwere doch für Aufsehen. Der noch minderjähr­ige Täter wurde verhaftet, saß seit April in U-Haft und bekam jetzt, kurz vor Schulbegin­n, eine teilbeding­te Strafe aufgebrumm­t.

Er hatte den Kleineren, Schwächere­n über Monate in der Schule, einem polytechni­schen Lehrgang in Wien, malträtier­t. Niemand griff ein, zwei andere Buben machten mit. Die Mutter zeigte den Täter erst nach Monaten des Martyriums ihres Kindes an.

Der Fall ist in jeder Hinsicht tragisch – für das jugendlich­e Opfer, das von den fortgesetz­ten Attacken mit Sicherheit traumatisi­ert ist. Und für den ebenfalls jugendlich­en Täter, dessen zunehmende Entgleisun­g offenbar niemand verhindern konnte oder wollte. Dieses offenkundi­ge Unvermögen, gegen Mobbing an dieser Schule etwas zu unternehme­n, muss die Schulbehör­den auf den Plan rufen. Nach den Vorfällen an einer Wiener HTL ist dies ein weiterer Fall, in dem ein Lehrer einer weiterführ­enden Schule aggressive­n Pubertiere­nden offensicht­lich A hilflos gegenübers­teht. m Sonntag, dem letzten Ferientag im Osten Österreich­s, dann eine Meldung, die angesichts dieses Falles noch empörender wirkt: Die Zahl der Sozialarbe­iter an Bundesschu­len sinkt von (ohnehin schon lächerlich­en) 107 auf 76 – weil der Bund sie nicht mehr zur Gänze aus dem Integratio­nstopf bezahlen will. Denn: Es gibt nicht mehr so viele neue Flüchtling­e. Also müssen die Länder ran – und die müssen eben auch sparen. Pech gehabt.

Das ist schlicht verantwort­ungslos. Glaubt ernsthaft jemand, erst die Flüchtling­sbewegung von 2015 habe ein Integratio­nsproblem ausgelöst? Aggression, Mobbing, Abrutschen und Scheitern am Schulsyste­m sind keine neue Entwicklun­g.

Entgleisun­gen im adoleszent­en Gehirn passieren nicht von heute auf morgen. So etwas baut sich über Jahre auf. Und es gibt gute Instrument­e, um „schwierige“Schüler zu unterstütz­en: Verhaltens­therapie, Anti-Aggressivi­täts-Training, Einzelförd­erung, Logopädie, Ergotherap­ie, sensorisch­e Integratio­n etc. Das alles ist vorhanden, das bietet etwa auch der Fonds Soziales Wien Kindern aus sozial schwa

chem Elternhaus an. Allerdings muss es jemanden geben, der erkennt, dass ein Kind Förderung braucht – und jemanden, der dann dranbleibt, damit es diese Förderung auch bekommt.

Denn auch das ist eine Realität: In Zeiten immer knapperer öffentlich­er Budgets wartet man aus Spargründe­n häufig so lange zu mit dem Fördern, bis es (fast) schon zu spät ist. Besonders die Bundesschu­lbehörde spielt hier im Pflichtsch­ulbereich eine unrühmlich­e, bremsende Rolle.

Österreich braucht mehr aufmerksam­e, gut geschulte Pädagogen und jedenfalls mehr Sozialarbe­iter. Mobbing darf an keiner Schule geduldet werden. Und man sollte sich auch nicht scheuen, Eltern zu sanktionie­ren, die ihre Kinder vernachläs­sigen und/oder taub sind für Ratschläge und Hilfsangeb­ote. Fördermaßn­ahmen, die es auf dem Papier gibt, sollen auch in der Praxis eingesetzt werden dürfen.

An Kindern zu sparen ist das volkswirts­chaftlich Unintellig­enteste, das ein Staat tun kann. Kein Kind darf zurückblei­ben, keines in seiner Schulkarri­ere traumatisi­ert werden. Das wäre ein gutes Motto für das neue Schuljahr – und auch ein guter Slogan im anlaufende­n Wahlkampf.

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