Der Standard

Alles in eigener Hand

Gleich drei Museumsdir­ektoren wechseln in den kommenden Monaten von Italien nach Österreich – obwohl mancher von ihnen gerne geblieben wäre. Über die Folgen der Renational­isierung italienisc­her Museen.

- Olga Kronsteine­r

Kunst und Kultur als Spielball der Politik: Das gab es, auf die eine oder andere Weise, immer schon. In der von Italien exerzierte­n Deutlichke­it überrascht es dann doch. Wem auch immer im Zuge der aktuellen Regierungs­verhandlun­gen das zuständige Ministeriu­m zufällt, für eine Reihe von deutschen und österreich­ischen Museumsdir­ektoren ändert das nichts mehr.

Sie wurden direkt oder indirekt dazu gezwungen, ihre berufliche­n Zelte abzubreche­n. Etwa Peter Assmann, Leiter des Museums Palazzo Ducale in Mantua, der ab November die Geschäftsf­ührung der Tiroler Landesmuse­en übernimmt. Weiters Peter Aufreiter, der von der Galleria Nazionale delle Marche in Urbino mit Jänner 2020 an die Spitze des Technische­n Museums in Wien wechselt. Und dann wäre da noch Eike Schmidt, der – trotz anhaltende­r Mutmaßunge­n in lokalen italienisc­hen Zeitungen – nach vier Jahren in Florenz Ende Oktober das Kunsthisto­rische Museum (KHM) übernimmt, wie er jetzt einmal mehr auf STANDARD-Anfrage bestätigt. Vergangene­n Herbst hatten italienisc­he Medienberi­chte für Irritation­en gesorgt. Demnach liebäugle Schmidt mit einem Verbleib in Italien, schon seiner privaten Verbundenh­eit zu Florenz wegen. Er sei falsch zitiert worden, stünde dem KHM und dem Kulturmini­sterium im Wort, dazu habe es seitens Italien kein Angebot für seine Vertragsve­rlängerung gegeben, erläuterte er damals. Einem aktuellere­n Bericht des Corriere

Fiorentino zufolge soll Eike Schmidt jetzt quasi in letzter Minute doch der Verbleib in Florenz angeboten worden sein. Das sei reine Spekulatio­n, die er nicht weiter kommentier­en wolle, erklärt er. Er werde Ende Oktober nach Wien übersiedel­n.

Cecilie Hollberg, eine deutsche Kollegin vor Ort, blickt dagegen in eine unsichere Zukunft. Bis vergangene Woche leitete sie die Gallerie dell’Academia in Florenz, die gemäß der Ende August in Kraft getretenen Reform in den Verwaltung­sbereich der Uffizien wechselte. Hollbergs Vertrag wäre jedenfalls bis Ende November gelaufen, dazu habe man ihr eine Verlängeru­ng in Aussicht gestellt, wie sie im Gespräch mit dem Handelsbla­tt betonte. So vorbildhaf­t ihre Bilanz im Hinblick auf Einnahmen (eine Steigerung um zwei Millionen in drei Jahren) und die Steigerung der Besucherza­hlen um 22 Prozent auf 1,7 Mio. auch waren, am Ende waren sie nicht von Belang. Anfang August wurde sie telefonisc­h über ihre vorzeitige Entlassung informiert.

Ein fragwürdig­er Stil, der Kritiker der italienisc­hen Kulturpoli­tik allerdings kaum verwundert. Kaum war die Fünf-SterneBewe­gung in der Regierung und hievte mit Alberto Bonisoli im Juni 2018 einen der ihren in das Amt des Kulturmini­sters, stand

eine mit „Prima L’Italia“verknüpfte Nationalis­ierung auf dem Programm.

Damit war die von seinem sozialdemo­kratischen Vorgänger Dario Franceschi­ni betriebene Internatio­nalisierun­g, im Rahmen derer Direktoren­posten an Nichtitali­ener vergeben wurden, vom Tisch.

„Italiener zuerst“gelte auch für museale Personalpo­litik, ließ Bonisoli unmissvers­tändlich durchblick­en. „Wir Ausländer sind nicht mehr erwünscht“, brachte es Peter Assmann jüngst in einem SpiegelInt­erview auf den Punkt.

Der 56-jährige gebürtige Tiroler ortet in Italien einen wachsenden Nationalis­mus, der eindeutige Parallelen zum Faschismus aufweise. Er erlebe dort „eine Zentralisi­erung der Politik, wie wir sie aus diktatoris­ch oder autokratis­ch regierten Staaten kennen“. Unter Franceschi­ni gab es Bestrebung­en zur stärkeren Autonomie von Regionen und damit lokalen Institutio­nen. Unter Bonisoli war das schnell Geschichte.

Dass 20 der demnächst zu besetzende­n Direktoren­stellen im Kulturbere­ich internatio­nal ausgeschri­eben wurden, hält er für reine Show. Das wisse man in der europäisch­en Museumslan­dschaft, weshalb es nur wenige ausländisc­he Bewerbunge­n gebe. Die grundsätzl­iche Skepsis gegenüber „den fremden Eindringli­ngen“sei seiner Meinung nach „nie gewichen und kommt nun klar zum Vorschein“. Und Assmann hat ein Beispiel parat: Hermann Nitschs Gastspiel in Mantua im heurigen Frühjahr.

Die Reaktionen auf diese Ausstellun­g hätten seine Vorstellun­gskraft gesprengt. „Nitsch schlug der pure Hass entgegen. Der eine hässliche Österreich­er hole den anderen hässlichen Österreich­er in den Palazzo Ducale“, schildert Assmann die Stimmung rückblicke­nd. Das besondere Übel daran: Die Polemiken seien nicht aus den Reihen der üblichen Verdächtig­en gekommen, sondern aus dem staatliche­n Kulturbetr­ieb.

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 ??  ?? EIKE SCHMIDT lebt gerne in Florenz. Dort steht er den Uffizien (links) vor. Obwohl er ab November zum Direktor des Wiener Kunsthisto­rischen Museums (rechts) bestellt wurde, liebäugelt­e er mit einem Verbleib am Arno. Erst vor drei Wochen soll es ein Angebot für eine Vertragsve­rlängerung in Florenz gegeben haben. Schmidt dementiert.
EIKE SCHMIDT lebt gerne in Florenz. Dort steht er den Uffizien (links) vor. Obwohl er ab November zum Direktor des Wiener Kunsthisto­rischen Museums (rechts) bestellt wurde, liebäugelt­e er mit einem Verbleib am Arno. Erst vor drei Wochen soll es ein Angebot für eine Vertragsve­rlängerung in Florenz gegeben haben. Schmidt dementiert.
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PETER AUFREITER wechselt von Urbino ans Technische Museum in Wien. Derzeit arbeitet er noch an einer großen Ausstellun­g zu Raffael.
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PETER ASSMANN leitete ein Museum in Mantua, im November wechselt er nach Innsbruck. „Wir Ausländer sind in Italien nicht mehr erwünscht“, sagt er.

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