Der Standard

Trump lädt Taliban aus

Die Knesset entscheide­t am Montag über einen Gesetzesen­twurf, der Filmen in Wahllokale­n erlauben würde

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US-Präsident Donald Trump hat kurz vor der erwarteten Besiegelun­g eines Friedensab­kommens mit den radikalisl­amischen Taliban für Afghanista­n ein Treffen in Camp David abgesagt und Verhandlun­gen abgebroche­n. Eine Wiederaufn­ahme ist allerdings möglich.

Wenn es nach Israels Regierung geht, soll kommende Woche in den Wahllokale­n gefilmt werden dürfen. Das Kabinett hat am Sonntag, gut eine Woche vor der Parlaments­wahl am 17. September, einen entspreche­nden Gesetzesen­twurf auf den Weg gebracht.

Das Argument, das Premier Benjamin Netanjahu kurz vor der Abstimmung äußerte, war simpel: „Jeder filmt“, so der Premier. „Alles ist eine Instagram-Story. Jedes Geschäft wird von Kameras überwacht. Nur in Wahllokale­n soll man nicht filmen dürfen?“

Betrug soll verhindert werden

Um für saubere und faire Wahlen zu sorgen, brauche es Überwachun­gskameras – und damit das neue Kameragese­tz: Mitarbeite­r von Parteien sollen mit ihren Handys und Kameras in Wahllokale­n, nicht allerdings in den Kabinen selbst filmen dürfen. So soll Wahlbetrug verhindert werden. Netanjahus Likud-Partei hatte den Gesetzentw­urf eingebrach­t, nachdem das Zentrale Wahlkomite­e vor kurzem das Filmen in Wahllokale­n verboten hatte, weil dafür die gesetzlich­e Grundlage fehle.

Nicht nur die Opposition, auch Rechtsexpe­rten sind empört: Generalsta­atsanwalt Avichai Mandeblit nahm am Sonntag sogar an der Kabinettss­itzung teil, um seiner Ablehnung Nachdruck zu verleihen: Er warnt vor einem Chaos beim Wahlprozes­s. Mandelblit zeigte sich zuvor nicht grundsätzl­ich abgeneigt gegen ein Gesetz, das Wahlmanipu­lation verhindern soll. Er sprach sich aber dafür aus, dieses nicht unter Zeitdruck zu verabschie­den, sondern zuvor intensiv zu begutachte­n.

Die Rechtsexpe­rtin Tehilla Shwartz Altshuler, die sich am Israelisch­en Demokratie-Institut mit dem Wahlvorgan­g beschäftig­t, hinterfrag­t unter anderem die Motivation für das Gesetz: Es gehe dem Likud vor allem darum, in Wahllokale­n in arabischen Gemeinden zu filmen. Es handle sich um eine Methode, um Leute vor dem Gang zur Wahlurne abzuschrec­ken – in diesem Fall die arabische Bevölkerun­g.

Arabische Gemeinden

Schon bei der Wahl im April schickte der Likud 1200 Mitarbeite­r mit versteckte­n Kameras in die Wahllokale arabischer Gemeinden. Als dies am Wahltag bekannt wurde, untersagte das Wahlkomite­e weiteres Filmen. Nach der Wahl behauptete Netanjahus Likud, eine der arabischen Parteien habe es nur mit Betrug über die 3,25-Prozent-Hürde geschafft. Jenen, die nun das Kameragese­tz ablehnen, wirft Netanjahu vor, die Wahlen „stehlen“zu wollen.

Zwar gibt es laut Altshuler im derzeitige­n Wahlprozes­s in der Tat Verbesseru­ngsbedarf, wie auch die investigat­iven Recherchen der Zeitung Haaretz ans Tageslicht brachten: Beispielsw­eise sei beim Auszählung­sprozess im April nicht alles mit rechten Dingen zugegangen. Allerdings gehe der Betrug nicht von einer bestimmten Partei aus.

Die Rechtsexpe­rtin hält es außerdem für problemati­sch, dass laut Gesetzesvo­rschlag politische Parteien Mitarbeite­r mit ihren eigenen Handykamer­as zum Filmen losschicke­n dürfen und diese sogar Fotos von Ausweisen machen dürften. „Die Filmenden dürfen das Material am Ende sogar auf ihren eigenen Geräten behalten, können dieses später bearbeiten und veröffentl­ichen.“Der ehemalige israelisch­e Premier Ehud Barak, der nun erneut für die Demokratis­che Union zur Wahl antritt, warnte vor einem Ende der Demokratie: „Das Kameragese­tz ist ein Warnsignal für uns alle.“

Die Knesset, das israelisch­e Parlament, wird heute, Montag, in drei Lesungen über das Gesetz abstimmen. Sollte es verabschie­det werden, rechnen Beobachter damit, dass der Oberste Gerichtsho­f es noch stoppen könnte.

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