Der Standard

Pride-Paraden von Sarajevo bis Himberg

Seit 1970 wird mit Umzügen die Gay Pride gefeiert. Am Wochenende gab es zwei Premieren: Erstmals fanden Kundgebung­en in Bosnien-Herzegowin­a und außerhalb einer österreich­ischen Großstadt statt.

- Adelheid Wölfl aus Sarajevo, Irene Brickner aus Himberg

Scharfschü­tzen standen auf den Dächern, die Polizei war für den Ernstfall ausgerüste­t. Wer am Sonntag an der Pride in Sarajevo teilnehmen wollte, musste durch eine Sicherheit­sschleuse. Das Ausmaß der Vorkehrung­en zeigt, wie sehr die Mitglieder der LGTB-Community hier bedroht sind. Bosnien-Herzegowin­a war das letzte Land in Südosteuro­pa, in dem es noch keine Pride gegeben hat. Doch die erste Regenbogen­parade wurde zu einem fröhlichen Spaziergan­g durch die Stadt.

Die Erwartunge­n der Veranstalt­er wurden übertroffe­n – denn es nahmen viel mehr als die angekündig­ten 500 Leute teil. Menschen waren aus allen Teilen Bosnien-Herzegowin­as, auch der Republika Srpska, ebenso gekommen wie Gäste aus dem Ausland.

Auch Prominenz erschien, allen voran der US-Botschafte­r in Bosnien-Herzegowin­a, Eric Nelson, der mit seinem Partner in Sarajevo lebt, deutsche Abgeordnet­e und die österreich­ische Botschafte­rin Ulrike Hartmann unterstütz­en

die Pride ebenso. „Die Straße gehört uns“, riefen die Aktivisten und: „Für die Liebe, für den Frieden und für die Freiheit.“

Einer der Organisato­ren, Branko Čulibrk, meinte, dass es um einen Kampf für Menschenre­chte gehen würde und forderte eine Gesellscha­ft frei von Gewalt und Homophobie so wie die Legalisier­ung der Homo-Ehe. Er drückte seine Solidaritä­t mit allen Unterdrück­ten in der bosnischen Gesellscha­ft aus, etwa Migranten und Roma.

Tatsächlic­h wurde der herbstlich-sonnige Spaziergan­g, der mehr als eine Stunde dauerte, zu einem Fest der Lebensfreu­de und Solidaritä­t. Manche, auch ältere Bosnier und Bosnierinn­en, die an den Fenstern standen, winkten den Demonstran­ten zu. Die Menge jubelte wegen dieses Zeichens des Zusammenha­lts.

Am Samstag gab es noch eine Gegenveran­staltung unter dem Motto „Tag der traditione­llen Familie“. Plakate zeigten, wie wenig manche Bosnier über sexuelle Minderheit­en wissen. Auf einem Transparen­t stand: „Bleibt in euren vier Wänden.“Viele glauben, dass es sich bei Homosexual­ität um eine Art westliche Idee oder eine ideologisc­he Entscheidu­ng handeln würde.

So denken möglicherw­eise auch manche Bewohner der niederöste­rreichisch­en Speckgürte­lgemeinde Himberg, wo ebenfalls am Samstag die erste Gay Pride außerhalb einer Großstadt in Österreich stattfand. DER STANDARD hat sich umgesehen:

Dragqueens auf dem Land

„Welcome zur Himberg Pride!“, ruft Katharina Kacerovsky, Geschäftsf­ührerin der Stonewall GmbH, die die Himberg-Pride organisier­t, ins Mikrofon. Und los geht’s – die Regenbogen­fahnenträg­er und lila gekleidete­n QueerStudi­es-Frauen, die Dragqueens, die lesbischen Mütter und schwulen Väter mit ihren Kindern setzen sich in Gang. Große Trucks, wie in Wien, fahren keine durch den 7400-Einwohner-Ort mit.

Vor einem Gartenzaun steht ein älteres Ehepaar. „Super, dass so was in unserer kleinen Ortschaft läuft“, sagt sie. „I bin da absolut dafür“, sagt er. Die anderen, weniger erfreuten Himberger seien heute eben zu Hause geblieben. Wie viele das seien? „I tät sagen es steht 70 zu 30 dafür“, sagt sie.

„Guat is“, sagt auch eine alte Dame – um sich sodann vertraulic­h vorzubeuge­n: „Aber, unter uns gesagt: der V., der das hier initiiert hat, ist in Himberg als Kritiker verschrien.“Damit meint sie Philipp V. (28), der die Diskussion über Homophobie in Himberg in Gang gebracht hat. Im Juli hatten er und sein Verlobter dem STANDARD geschriebe­n. Als händchenha­ltende Schwule würden sie in ihrer Heimatstad­t Himberg geschnitte­n und beschimpft.

Nun steht Bürgermeis­ter Ernst Wendl (SPÖ) als Redner auf der Bühne. Himberg setze sich „für die Schwächste­n“ein, sagt er. Und dann schwenkt er doch noch zum Thema des Tages: „Wir akzeptiere­n und respektier­en verschiede­ne Hobbys – warum nicht auch verschiede­ne Lebens- und Liebesentw­ürfe?“

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Während in Sarajevo Polizisten die Veranstalt­ung absicherte­n, war in Himberg nur das nasskalte Wetter ein kleines Problem.
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