Der Standard

Hacker haben in Österreich wenig Grund zum Fürchten

Geringe Strafen und eine niedrige Aufklärung­srate: Wer in fremde Computersy­steme einbricht, muss kaum mit strafrecht­lichen Folgen rechnen. Unternehme­n, Private und Parteien müssen sich selbst vor Angreifern schützen.

- Martin Gärtner

Bisher kannte man Cyberattac­ken auf Politiker und Prominente nur aus dem Ausland, wir erinnern uns an den Skandal, als ein 20-Jähriger Daten von Mitglieder­n des Deutschen Bundestags gehackt und veröffentl­icht hatte. Mit dem jüngsten mutmaßlich­en Hackerangr­iff auf die ÖVP ist diese Art von Cybercrime nun auch in Österreich in der Öffentlich­keit angekommen. Die Rechtslage dazu ist wenig befriedige­nd.

Generell unterschei­det das österreich­ische Strafrecht bei Angriffen auf fremde Computerne­tzwerke deutlich, ob dadurch Menschen in ihren Vermögen, in ihrer kaufmännis­chen Ehre oder in ihrer Geschlecht­ssphäre angegriffe­n werden oder ob sich der Angriff gegen „bloße“Persönlich­keitsrecht­e ohne Berührung der Geschlecht­ssphäre und ohne greifbaren wirtschaft­lichen Schaden für den Betroffene­n richtet.

Tatsächlic­h werden in Österreich Angriffe gegen „bloße“Persönlich­keitsrecht­e und die Ehre sowohl in der analogen als auch in der digitalen Welt nur gering bestraft: „Widerrecht­liche Zugriffe auf ein Computersy­stem“im Sinne von § 118 a StGB oder – beim Zugriff auf E-Mails und dergleiche­n – eine „Verletzung des Telekommun­ikationsge­heimnisses“im Sinne von § 119 StGB führen lediglich zu einer Strafdrohu­ng von bis zu sechs Monaten Freiheitss­trafe oder 360 Tagessätze­n Geldstrafe.

Die anschließe­nde Veröffentl­ichung der widerrecht­lich erlangten Daten ist gesondert nur dann strafrecht­lich erfasst, wenn dadurch gleichzeit­ig ein anderes Delikt begangen wird. Etwas höhere Strafen (Freiheitss­trafen bis zu fünf Jahren) drohen dann, wenn durch den Angriff nicht nur Daten „abgesaugt“, sondern diese oder das angegriffe­ne Computersy­stem außerdem auch noch beschädigt werden.

Zu einer strengeren Strafe kommt es erst, wenn durch den Angriff auf ein fremdes Computersy­stem das Opfer in seinem Vermögen geschädigt und der Täter bereichert wird; dann gelten bei entspreche­nder Schadenshö­he mit einer Höchstfrei­heitsstraf­e von zehn Jahren die gleichen Strafdrohu­ngen wie für den „gewöhnlich­en“, analog begangenen Betrug (§ 148 a StGB).

Wenn keine Daten beschädigt werden

Im österreich­ischen Strafrecht gilt seit über 100 Jahren: Angriffe gegen die Privatsphä­re oder gegen das Interesse des Opfers auf die Wahrung eigener „Geheimniss­e“werden weniger streng sanktionie­rt als Angriffe auf das unmittelba­re Vermögen. Daher müssen die Täter, wenn ein Angriff auf einen Computer unternomme­n wird, bei dem weder Daten beschädigt werden, noch das Opfer „betrogen“wird, in Österreich nur mit sehr geringen Strafen rechnen.

Ein zentrales Problem bei der Verfolgung von Cybercrime ist auch der Umstand, dass Cyberkrimi­nalität sehr oft grenzübers­chreitend stattfinde­t, während die klassische Strafverfo­lgung innerhalb der Grenzen der einzelnen Staaten passiert. Durch die geringen Strafen im Bereich des bloßen „Datensamme­lns“ kommt es zudem dazu, dass fremde Staaten regelmäßig wenig Ambition zeigen, Rechtshilf­eersuchen zu unterstütz­en. Das Strafrecht ist also nicht dafür geeignet, aus dem Ausland operierend­e Hacker vom „Sammeln von Daten“und der nachfolgen­den Weitergabe abzuhalten.

Das geltende Strafrecht geht also klar an der Realität der zunehmende­n Digitalisi­erung vorbei, hier sind der europäisch­e wie auch der nationale Gesetzgebe­r gefragt!

Doch ist eine härtere Bestrafung eine wirksame Bekämpfung, und vor allem hat es eine ausreichen­de Präventivw­irkung? In den letzten Jahren wurden knapp 20.000 Straftaten im Bereich der Internetkr­iminalität polizeilic­h verfolgt; die Aufklärung­squote liegt hier laut polizeilic­her Kriminalst­atistik 2018 bei beachtlich­en 32,1 Prozent. Der Fokus der Polizeiarb­eit liegt dabei allerdings in der Bekämpfung von Kinderporn­ografie oder Internetbe­truges, in diesen Bereichen werden auch die größten Aufklärung­serfolge erzielt. 2018 gab es 180 Verurteilu­ngen wegen betrügeris­chen Datenverar­beitungsmi­ssbrauchs und nur zwei Verurteilu­ngen wegen widerrecht­lichen Zugangs auf ein Computersy­stem.

Bei Angriffen, die auf eine „bloße“Datenbesch­affung gerichtet sind, trifft somit eine niedrige Strafdrohu­ng auf eine niedrige Wahrschein­lichkeit, wegen dieses Deliktes tatsächlic­h verurteilt zu werden: Man wird also fast nie erwischt, und falls doch, dann passiert nichts.

Warum Zahl der Cyberattac­ken steigt

Wieso steigt nun die Anzahl von Cyberattac­ken immer weiter, und wie kann jeder Einzelne sich schützen? Generell beeinfluss­en strenge Gesetze und die Erwartungs­haltung, dass eine Gesetzesve­rletzung eine entspreche­nde Sanktion nach sich ziehen wird, das Verhalten von Menschen. Die strengen Strafen bei Raub verbunden mit hohen Aufklärung­squoten und strengen Gerichtsur­teilen schaffen somit ein Klima, in dem man bedenkenlo­s mit einer teuren Uhr am Handgelenk über die Wiener Kärntnerst­raße spazieren kann. In gefährlich­en Teilen von Großstädte­n, in welchen die Aufklärung­squoten sehr gering sind, kann man dieses Vertrauen nicht haben – hier muss jeder Einzelne sich selbst durch Prävention vor Schaden schützen.

Dies gilt gleicherma­ßen für die Datensiche­rheit – niedrige Strafdrohu­ngen verbunden mit geringen Aufklärung­squoten und einer sehr geringen Zahl von Verurteilu­ngen schaffen ein Klima, in dem die Täter wissen, dass sie staatliche Verfolgung­smaßnahmen kaum zu befürchten haben. Hier ist somit jeder Einzelne – und somit auch Parteien und Personen des öffentlich­en Lebens – berufen, sich durch entspreche­nde Sicherheit­smaßnahmen selbst vor potenziell­en Angriffen zu schützen.

MARTIN GÄRTNER ist Partner bei Scherbaum Seebacher Rechtsanwä­lte und Experte für Wirtschaft­sstrafrech­t. gaertner.martin@scherbaums­eebacher.at

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Strengere Strafen drohen in Österreich bei einem Hackerangr­iff nur, wenn Vermögen geschädigt wird oder der Täter sich bereichert.

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