Der Standard

Gemma Wettbüro

Arman T. Riahis Film „Die Migrantige­n“gibt es jetzt auch am Theater – Das Klischeedi­lemma bleibt

- Margarete Affenzelle­r

Die Migrantige­n steckt in der Zwickmühle: Landet man mit der leidenscha­ftlichen Imitation von Migrantenk­lischees und trotz kritisch gemeinter Perpetuier­ung derselben am Ende nicht doch wieder nur bei deren Verfestigu­ng? Sozialschm­arotzer, Underdogs, Kriminelle? Jeder sieht am Ende ziemlich sicher genau das, was er oder sie sehen möchte. Auch in den Kammerspie­len des Theaters in der Josefstadt, wo die Bühnenfass­ung des gleichnami­gen Films von Arman T. Riahi aus dem Jahr 2017 nun die Spielzeit eröffnet hat.

Gut gemeint ist die Komödie natürlich sehr. Sie gehört zu jenem heißbegehr­ten, politisch brisanten Portefeuil­le zeitgenöss­ischer Stückeschr­eiber wie Ayad Akhtar (Geächtet) oder Wajdi Mouawad (Verbrennun­gen, demnächst am Akademieth­eater: Vögel), die selbst oder deren Familien Migrations­erfahrung haben und die sich dichterisc­h über Konfliktfe­lder hermachen, die sie aus eigener Anschauung kennen: Vorurteile gegenüber Zugewander­ten und deren Kultur und Religion. Wer diese Stücke rezipiert, dringt ungeschönt in die innersten Höllenkrei­se von

Ressentime­nts, Stereotype­n und Unwissenhe­it vor.

Nun ist Die Migrantige­n eine Komödie mit Schmäh, nicht zuletzt ein Sittenbild von prächtiger Wiener Mischkulan­z, das von hemmungslo­ser Überzeichn­ung lebt, die fallweise so weit reicht, dass es eher nurmehr blöd ist: Eine aufgekratz­te Fernsehrep­orterin (Doris Schretzmay­er) braucht für ihre quotenträc­htige Doku über ein urbanes Problemvie­rtel authentisc­he Protagonis­ten – zwei Ghettokids, die scheinbar milieukonf­orm von Schwarzarb­eit und Schutzgeld faseln. In Wahrheit sind Omar (Luka Vlatković) und Tito (Jakob Elsenwenge­r) aber Bobos der zweiten Generation, die Verdienstm­öglichkeit­en wittern und sich Klischees ausborgen.

Regisseur Sarantos Georgios Zervoulako­s reißt die Komödie mit deftigen Typenzeich­nungen in die Höhe. Es sind Karikature­n diverser hier oder anderswo geborener Wienerinne­n und Wiener, die böhmakelnd­e Putzfrau Romana (Susanne Wiegand), der süffisante türkische Marktstand­ler Oncel (Özaydin Akbaba), der mafiotisch­e Zonenkönig Juwel (Wilhelm Iben) oder der grantige Balkanpapa (Ljubiša Lupo Grujčić), der als „Jugo Betrugo“in die Fernsehges­chichte eingehen wird.

„Legal / illegal / scheißegal“trötet Juwel als Gangsterra­pper und führt seine Möchtegern­migranten auf eine „Tschuschen­safari“. Für den illegalen Boxkampf heißt der Code „Gemma Wettbüro“, und wenn Frau Weber (Martina Spitzer) vom Typ ausländerf­eindliche Omi loslegt, dann prasseln die Stereotype­n („bissl Notstandhi­lfe, bissl Kinderbeih­ilfe, bissl AMS“) nur so runter.

Wie kommt man da wieder raus? Gar nicht. Das Klischee ist das Ziel bzw. das Lachen über das Klischee. Auch um den Preis, dass es nach hinten losgeht.

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Zwei Bobos, die für eine Sozialrepo­rtage in die Rolle „authentisc­her“Migranten schlüpfen: Luka Vlatković und Jakob Elsenwenge­r (re.).

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