Gemma Wettbüro
Arman T. Riahis Film „Die Migrantigen“gibt es jetzt auch am Theater – Das Klischeedilemma bleibt
Die Migrantigen steckt in der Zwickmühle: Landet man mit der leidenschaftlichen Imitation von Migrantenklischees und trotz kritisch gemeinter Perpetuierung derselben am Ende nicht doch wieder nur bei deren Verfestigung? Sozialschmarotzer, Underdogs, Kriminelle? Jeder sieht am Ende ziemlich sicher genau das, was er oder sie sehen möchte. Auch in den Kammerspielen des Theaters in der Josefstadt, wo die Bühnenfassung des gleichnamigen Films von Arman T. Riahi aus dem Jahr 2017 nun die Spielzeit eröffnet hat.
Gut gemeint ist die Komödie natürlich sehr. Sie gehört zu jenem heißbegehrten, politisch brisanten Portefeuille zeitgenössischer Stückeschreiber wie Ayad Akhtar (Geächtet) oder Wajdi Mouawad (Verbrennungen, demnächst am Akademietheater: Vögel), die selbst oder deren Familien Migrationserfahrung haben und die sich dichterisch über Konfliktfelder hermachen, die sie aus eigener Anschauung kennen: Vorurteile gegenüber Zugewanderten und deren Kultur und Religion. Wer diese Stücke rezipiert, dringt ungeschönt in die innersten Höllenkreise von
Ressentiments, Stereotypen und Unwissenheit vor.
Nun ist Die Migrantigen eine Komödie mit Schmäh, nicht zuletzt ein Sittenbild von prächtiger Wiener Mischkulanz, das von hemmungsloser Überzeichnung lebt, die fallweise so weit reicht, dass es eher nurmehr blöd ist: Eine aufgekratzte Fernsehreporterin (Doris Schretzmayer) braucht für ihre quotenträchtige Doku über ein urbanes Problemviertel authentische Protagonisten – zwei Ghettokids, die scheinbar milieukonform von Schwarzarbeit und Schutzgeld faseln. In Wahrheit sind Omar (Luka Vlatković) und Tito (Jakob Elsenwenger) aber Bobos der zweiten Generation, die Verdienstmöglichkeiten wittern und sich Klischees ausborgen.
Regisseur Sarantos Georgios Zervoulakos reißt die Komödie mit deftigen Typenzeichnungen in die Höhe. Es sind Karikaturen diverser hier oder anderswo geborener Wienerinnen und Wiener, die böhmakelnde Putzfrau Romana (Susanne Wiegand), der süffisante türkische Marktstandler Oncel (Özaydin Akbaba), der mafiotische Zonenkönig Juwel (Wilhelm Iben) oder der grantige Balkanpapa (Ljubiša Lupo Grujčić), der als „Jugo Betrugo“in die Fernsehgeschichte eingehen wird.
„Legal / illegal / scheißegal“trötet Juwel als Gangsterrapper und führt seine Möchtegernmigranten auf eine „Tschuschensafari“. Für den illegalen Boxkampf heißt der Code „Gemma Wettbüro“, und wenn Frau Weber (Martina Spitzer) vom Typ ausländerfeindliche Omi loslegt, dann prasseln die Stereotypen („bissl Notstandhilfe, bissl Kinderbeihilfe, bissl AMS“) nur so runter.
Wie kommt man da wieder raus? Gar nicht. Das Klischee ist das Ziel bzw. das Lachen über das Klischee. Auch um den Preis, dass es nach hinten losgeht.