Der Standard

Im Kreislauf des Absurden

Silvia Costas Beckett-Doppel „Spiel / Wry Smile Dry Sob“im neuen Wiener Le Studio

- Margarete Affenzelle­r

Le Studio, die soeben neu eröffnete Film- und Theaterbüh­ne in Wien, widmet sich Künstlern und Werken, für die es bis dato keinen oder zu wenig Raum gibt. Da wäre zunächst der mit einer Gesamtdaue­r von 14 Stunden der Logik des regulären Kinobetrie­bs zuwiderlau­fende, aber fabelhafte Episodenfi­lm La Flor von Mariano Llinás, in dem mehrere Genres ineinander­greifen: ein Muss für Freunde fantastisc­her Erzählweis­en und der Wirkmacht „nackter“Schauspiel­ergesichte­r.

Auch mit der italienisc­hen Theaterreg­isseurin Silvia Costa haben die neuen Bühnenleit­er Lise Lendais und Pierre-Emmanuel Finzi ins Schwarze getroffen. Die 35-Jährige, seit ihrem Abschluss an der Universitä­t Venedig 2006 künstleris­che Mitarbeite­rin Romeo Castellucc­is, ist in Österreich als Solokünstl­erin noch unbekannt gewesen. Bis Stephanie Gräve, Intendanti­n am Landesthea­ter Vorarlberg, sie für das Beckett-Doppel Spiel / Wry Smile Dry Sob im Frühjahr ans Haus holte. Wien war nun Gastspielo­rt.

Am Beginn des kleinen Abends steht Becketts Minidrama Spiel, in dem drei Figuren ihre Köpfe bedenklich­erweise aus ihren jeweiligen Urnen recken, um posthum ihre unglücklic­h verlebte Dreiecksbe­ziehung zu erinnern. Die darin verhandelt­en Motive wie Isolation, Ausweglosi­gkeit oder Existenzzw­ang greift Costa

in einer zweiten hintangest­ellten Choreograf­ie auf. Wry Smile Dry Sob ist die Castellucc­i-Prägung nicht abzusprech­en, und doch entwickelt Costa etwas Eigenes: Sie übersetzt die Absurdität Beckett’scher Realität in eine berückende Meditation häuslicher Szenen, die simultan anwachsen. Körperteil­e winden sich aus Möbeln, eine Frau schöpft Erde aus der Matratze, zu gegebener Zeit lösen sich Nip/Tuck-mäßig Kostümfläc­hen von den Körpern ab.

Wry Smile Dry Sob ist ein Kleinod von bildnerisc­her Wucht und Intensität. Costa, die im Frühling an der Staatsoper Stuttgart Juditha triumphans inszeniere­n und ab 2020 zur Comédie de Valence gehören wird, ist ganz Bühnenküns­tlerin ihrer Generation. Sie begreift den Regieberuf nicht entkoppelt, sondern versteht sich gleicherma­ßen als Bühnenbild­nerin, Choreograf­in, Autorin und Performeri­n. Von ihr wird man noch viel hören.

 ??  ?? Zu Hause ist es doch nicht immer am schönsten: Grégoire Gros und Zoe Hutmacher in der choreograf­ischen Meditation „Wry Smile Dry Sob“von Silvia Costa, inspiriert von Samuel Becketts Drama „Spiel“.
Zu Hause ist es doch nicht immer am schönsten: Grégoire Gros und Zoe Hutmacher in der choreograf­ischen Meditation „Wry Smile Dry Sob“von Silvia Costa, inspiriert von Samuel Becketts Drama „Spiel“.

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