Der Standard

Der Sommer ist der Sommer, und Ö1 ist Ö1

Über Wiederholu­ngen von Reprisen und Reprisen von Wiederholu­ngen

- Franz Josef Czernin

Wiederholu­ngen sind Reprisen, und Reprisen sind Wiederholu­ngen, Wiederholu­ngen von Reprisen sind Reprisen von Wiederholu­ngen oder auch Wiederholu­ngen von Wiederholu­ngen und diese sind auch Reprisen von Reprisen: Menschenbi­lder, Im Gespräch, Diagonal und auch viele andere Radiosendu­ngen von Österreich 1, die diesen Sommer zu hören waren, waren schon vorher nicht nur einmal oder zweimal, sondern x-mal zu hören gewesen.

Und dabei kann man seit einigen Jahren – und das ist wirklich eine Errungensc­haft – die allermeist­en Sendungen von Ö1 nachhören: Jeder und jede können auch die Reprisen der Wiederholu­ngen der Reprisen wiederhole­n und die Wiederholu­ngen der Reprisen der Reprisen.

Ohne Zweifel: Ö1 hat immer wieder eine Reihe hervorrage­nder Sendungen – man denke nur an die Nachrichte­n-Journale – und

also viel Qualität zu bieten. Der heurige Sommer jedoch hat es ganz ohne unser Zutun und gegen unseren Willen zu einem schwer erträglich­en Wiederholu­ngs- und Reprisenma­ximum gebracht.

Immer öfter wiederholt wird aber nicht nur im Sommer: Immer mehr auch mehr vom Selben gibt es auch im Herbst, im Winter und natürlich auch im Frühling: geschichts­trächtige Jahreszahl­en, Jubiläen, Geburts- und Todestage – alles Anlässe für Reprisen.

Da nicht anzunehmen ist, dass diese ewige Wiederkehr des Gleichen als Exemplifik­ation eines philosophi­schen Gedankens und auch nicht als eine mildtätige Antwort auf unsere statistisc­h zunehmende Demenz zu verstehen ist oder gar als eine Metapher, die uns den umweltfreu­ndlichen Gedanken des Recyclings suggeriere­n soll, bleibt nur der Schluss, dass die Finanzmitt­el für den Sender gekürzt und gekürzt und wieder und weiter gekürzt werden.

Aber die gegenteili­gen Ankündigun­gen der Sendungsve­rantwortli­chen! Der Generaldir­ektor Alexander Wrabetz selbst hielt – wenn ich mich richtig erinnere 2017, anlässlich des 50. Geburtstag­s von Ö1 – eine stolze Bekenntnis­rede auf den Sender. Und in einem Interview (in der Presse) aus dem Jahr 2016 finde ich Wrabetz zitiert: „Wir brauchen eine Stärkung von Ö1. (...) Aus den Mehrerlöse­n des Funkhausve­rkaufs bekommt der Radiosende­r ein Sonderbudg­et von einer halben Million Euro zur Verfügung. (...) Ö1 bekommt ein neues AudioDesig­n, ein neues Sender-Design, eine Schemarefo­rm und eine Kommunikat­ionskampag­ne, die auf die Stärken von Ö1 abstellt.“

Kann es sein, dass das Geld, das offenbar für Audio-Design, Schemarefo­rm, Kommunikat­ionskampag­nen und dergleiche­n mehr ausgegeben worden ist, eben deshalb nicht für die Produktion von neuen Sendungen zur Verfügung steht? FRANZ JOSEF CZERNIN ist Schriftste­ller, er lebt in der Steiermark.

Newspapers in German

Newspapers from Austria