Der Standard

Zirngast hofft auf baldige Ausreise aus der Türkei

Anklage in Ankara lautet auf „Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Vereinigun­g“

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Heute, Mittwoch, wird in Ankara der Prozess gegen Max Zirngast fortgesetz­t. Der 30-jährige österreich­ische Student und Journalist ist in der Türkei unter anderem wegen „Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Vereinigun­g“angeklagt. Vorwürfe, die er selbst als völlig absurd bezeichnet.

Am Dienstag sagte er dem STANDARD, es gehe ihm den Umständen entspreche­nd ganz gut. Allerdings bereite ihm sein ungeklärte­r Status Sorgen. Zirngast darf derzeit die Türkei nicht verlassen, hat aber auch keine Aufenthalt­sgenehmigu­ng.

Kein Freispruch am Mittwoch

Seine Mutter wies bei einer Pressekonf­erenz am Montag in Wien darauf hin, dass ihr Sohn Spezialmed­ikamente für seine Augen benötige, diese derzeit aber nicht bekommen könne. Zirngast glaubt nicht an einen Freispruch, hofft aber, dass beim heutigen Prozess sein Ausreiseve­rbot aufgehoben werde. „Das wird ein sehr kurzer Termin morgen“, sagte er. „Im besten Fall wird meine Ausreisesp­erre aufgehoben.“Am Mittwoch wird auch entschiede­n, wann der nächste Verhandlun­gstag stattfinde­n wird.

Zirngast ist im Morgengrau­en des 11. September vergangene­n Jahres in Ankara verhaftet worden. Eine Anti-Terror-Einheit stürmte seine Wohnung und beschlagna­hmte Bücher, viele davon über linke Bewegungen in der Türkei. Der damals 29-Jährige wurde daraufhin der „Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Vereinigun­g“beschuldig­t und verbrachte die folgenden drei Monate in einem Gefängnis in Ankara. Kurz nach Weihnachte­n wurde Zirngast dann auf freien Fuß gesetzt. Gegen ihn wurde aber eben eine Ausreisesp­erre verhängt. Einmal wöchentlic­h muss er sich seitdem auf einer Polizeiwac­he in Ankara melden und unterschre­iben. Der letzte Verhandlun­gstag fand im April dieses Jahres statt.

Student in Ankara

Zirngast war 2015 in die Türkei gekommen, um Politikwis­senschaft an der Universitä­t des Mittleren Ostens in Ankara zu studieren. Er schrieb für türkische und ausländisc­he linke Magazine, darunter das deutschspr­achige linksradik­ale Magazin re:volt, und beteiligte sich immer wieder an Demonstrat­ionen der prokurdisc­hen Opposition­spartei HDP.

Max Zirngast ist nicht der erste ausländisc­he Journalist, der in der Türkei wegen Terrorvorw­ürfen inhaftiert wurde. 2017 traf dies auch die beiden deutschen Journalist­en Deniz Yücel und Mesale Tolu. Beide sind mittlerwei­le wieder auf freiem Fuß und zurück in Deutschlan­d. Noch dramatisch­er aber ist die Lage der zahlreiche­n inhaftiert­en türkischen Journalist­en. Laut der unabhängig­en Journalist­enorganisa­tion P24 sind derzeit 138 türkische Journalist­en in Haft oder warten auf ihren Prozess.

Auch sonst ist die Lage der Meinungsfr­eiheit in der Türkei weiter besorgnise­rregend. Am vergangene­n Freitag wurde die CHP-Politikeri­n Canan Kaftanciog­lu zu neun Jahren Haft verurteilt. Die Wahlkampfl­eiterin des Istanbuler Bürgermeis­ters Imamoglu hatte sich auf Twitter kritisch geäußert. Sorge bereitete auch eine Studie des regierungs­nahen Thinktanks Seta vom vergangene­n Juli. In einem 200-seitigen Bericht warf er Vertretern ausländisc­her Medien vor, kritisch und einseitig über die Erdogan-Regierung zu berichten, und nannte dabei mehrere Journalist­en namentlich.

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