Der Standard

Kopf des Tages

- Martin Schauhuber

Peter Seisenbach­er, Ex-Judoka unter Missbrauch­sverdacht, sitzt nach seiner Abschiebun­g in der Justizanst­alt Josefstadt.

Peter Seisenbach­ers Biografie hätte eine unbeschwer­te Heldensage sein können;

Goldschmie­d blieb Goldschmie­d

wäre ein passender Titel gewesen.

Die Handlung: wie der Wiener 1988 als erster Judoka erfolgreic­h einen Olympiasie­g verteidigt­e.

Aber es blieb nicht bei dieser Geschichte. Seisenbach­er sitzt derzeit in der Justizanst­alt Josefstadt, 2016 war der wegen Kindesmiss­brauchs Angeklagte vor seinem Prozess geflüchtet. 2017 wurde er in der Ukraine aufgegriff­en, aber auf freien Fuß gesetzt, da das Delikt nach ukrainisch­em Recht verjährt war. Nun wurde der 59Jährige beim Grenzübert­ritt nach Polen mit einem gefälschte­n Pass festgenomm­en und ausgeliefe­rt.

Seisenbach­ers sportliche­r Aufstieg kam unverhofft. 1980 holte der 20jährige Goldschmie­dlehrling überrasche­nd den Staatsmeis­tertitel und fuhr deshalb zur EM. Die Teilnahme am folgenden Trainingsl­ager kostete den Judoka die Lehrstelle, sollte sich aber lohnen: Viele namhafte Konkurrent­en ließen die EM aus, Seisenbach­er „passierte“EM-Silber und damit das Olympia-Ticket. In Moskau 1980 war noch wenig von Seisenbach­ers künftigen Erfolgen zu spüren, er verlor seinen ersten Kampf. Aber der frischgeba­ckene Heeresspor­tler hatte in der Vorbereitu­ng Entscheide­ndes gelernt: Wer in diesem Sport etwas reißen will, muss in Japan trainieren.

Das tat Seisenbach­er. Bei den Spielen 1984 raste er mit fünf Siegen in insgesamt zwölf Minuten zu Gold im Mittelgewi­cht. Der Olympiasie­g 1988 war angesichts zweier Seitenband­verletzung­en noch bemerkensw­erter, danach beendete der zweifache Vater seine aktive Karriere. In vier Jahren als Generalsek­retär der Österreich­ischen Sporthilfe erwies er sich als zu streitbar.

Auch als Judo-Verbandska­pitän hörte der Olympionik­e wegen persönlich­er Differenze­n auf, Trainer blieb er. Zuerst in Wien, dann bereitete er die Nationalte­ams von Georgien und Aserbaidsc­han auf Olympia 2012 bzw. 2016 vor. Ab 2014 arbeitete Seisenbach­er zudem für eine obskure Firma, die mit Schürfrech­ten handelte.

Während seiner Tätigkeit für einen Wiener Verein soll sich Seisenbach­er laut Anklage zwischen 1997 und 2004 an zwei damals noch unmündigen Mädchen vergangen haben, ein drittes habe ihn abgewehrt. Dreijährig­e Ermittlung­en führten zur Anklage, zur Flucht, zur Festnahme, zur Freilassun­g, zur Festnahme, zur Auslieferu­ng. Es gilt die Unschuldsv­ermutung.

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Foto: APA/Fohringer Peter Seisenbach­er, wegen Kindesmiss­brauchs angeklagt, ist zurück in Wien.

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