Der Standard

Lob für kalte Progressio­n

Oft versproche­n, nie umgesetzt: Das Ende der schleichen­den Steuererhö­hungen, der kalten Progressio­n, ist wieder Wahlkampft­hema. Wifo-Chef Christoph Badelt sieht eine Abschaffun­g kritisch. Er ortet im Steuersyst­em ganz andere Baustellen.

- András Szigetvari

Warum Wifo-Chef Christoph Badelt eine Abschaffun­g der schleichen­den Steuererhö­hungen kritisch sieht.

Bei Arbeitnehm­ern ist sie unbeliebt, und für kurze Zeit sah es so aus, als würde die kalte Progressio­n endgültig abgeschaff­t werden. ÖVP und FPÖ hatten im Wahlkampf 2017 das Ende der schleichen­den Steuererhö­hungen zu einem der zentralen Punkte in ihren wirtschaft­spolitisch­en Programmen gemacht. Im Koalitions­abkommen wurde das Vorhaben fixiert.

Doch dann wurde das Projekt aber wieder auf die lange Bank geschoben. Für die kommenden fünf Jahre war unter Türkis-Blau keine Umsetzung geplant. Am Projekt halten die Ex-Koalitionä­re fest – langfristi­g eben. Im aktuellen Wahlkampf verspricht auch die SPÖ die Abschaffun­g der schleichen­den Steuererhö­hungen, und die Neos pochen sowieso darauf.

Und in der Tat: Auf den ersten

Blick spricht alles dafür, das System zu ändern. Wer mehr verdient, muss in Österreich höhere Lohnsteuer­n zahlen. Ein Teil des Lohnanstie­ges dient aber nur dazu, die Inflation auszugleic­hen. Die durchschni­ttliche Steuerbela­stung steigt auch auf diesen Teil des Gehaltsans­tiegs an. Dadurch verlieren Arbeitnehm­er real an Kaufkraft. Ausgleiche­n ließe sich das, wenn die Tarifstufe­n im Steuersyst­em mit der Inflation laufend mitsteigen würden.

Der Chef des Wirtschaft­sforschung­sinstituts, Christoph Badelt, hat sich in diese Debatte eingeschal­tet. „Ich bin kein Freund der Abschaffun­g der kalten Progressio­n“, sagte er in der Diskussion­ssendung „Der STANDARDMi­treden“. Spannend ist seine Argumentat­ion: Die laufenden Steuererhö­hungen sichern dem Fiskus ein Körberlgel­d. Jedes Jahr steigen die Staatseinn­ahmen. Badelt hält es für sinnvoller, wenn der Staat dieses Geld einnimmt und in periodisch­en Abständen dazu nützt, um politische Schwerpunk­te zu setzen. Konkret sieht er in den kommenden Jahren einen gewaltigen Investitio­nsbedarf auf Österreich zukommen: für Klimaschut­z, Bildung, Pflege.

Heikle Steuersenk­ungen

Angesichts dessen müsse Österreich „sehr vorsichtig sein, was die Reduktion von Abgaben betrifft“, so der Wifo-Chef. Zur Einordnung: Seit langem tobt eine Debatte über die Abgabenquo­te, also wie viel Steuern und Sozialvers­icherungsb­eiträge der Staat im Vergleich zur Wirtschaft­sleistung einhebt. 2018 lag die Abgabenquo­te in Österreich bei 42,3 Prozent, was im Vergleich der Industriel­änder ein hoher Wert ist. ÖVP und FPÖ haben die Senkung der Quote zum Ziel erklärt.

Ökonom Badelt sagt, dass jede Regierung, die Abgaben senkt, erklären müsse, woher sie das notwendige Geld für künftige Investitio­nen nimmt. Er hält auch „ein Screening“aller bestehende­n Staatsausg­aben für notwendig, mit dem Ziel, Umschichtu­ngen vorzunehme­n. Österreich investiere zu wenig im Vergleich zu den laufenden Ausgaben für Pensionen, Verwaltung und Soziales. Welcher Teil der nötigen Mehrausgab­en über Einsparung­en, etwa in der Verwaltung, einbringli­ch wäre, ist die große Frage.

Badelt plädierte zudem für eine Umschichtu­ng: Die Belastung des Faktors Arbeit müsse deutlich runter. Im Gegensatz dazu müssten vermögensb­ezogene Abgaben und Steuern auf CO2-Verbrauch hinauf. Eine CO2-Steuer allein sei zu wenig. Auch die Pendlerpau­schale gehöre beispielsw­eise ökologisie­rt, so der Wifo-Chef. Die Pendlerpau­schale ist steuerlich­e Begünstigu­ng, die Arbeitnehm­ern zusteht, wenn sie einen weiten Weg zum Arbeitspla­tz zurücklege­n müssen. Ob dabei ein öffentlich­es Verkehrsmi­ttel verwendet wird, macht keinen Unterschie­d. Badelt: Dort, wo Bahn oder Bus zumutbar sind, sollte ein Nachweis verlangt werden, dass der öffentlich­e Verkehr genutzt wird.

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Im Gespräch: Robert Lugar (li.) und Christoph Badelt.

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