Der Standard

Neonazi-Razzien waren rechtswidr­ig

Türkis-blaue Generalsek­retäre hatten Hausdurchs­uchungen groß präsentier­t

-

– Im April 2019 waren Rechtsextr­emismus und blaue Verbindung­en in der Szene das dominieren­de Gesprächst­hema. Wenige Tage zuvor hatte ein rechtsextr­emer Terrorist, der einst der Identitäre­n-Bewegung gespendet hatte, in Neuseeland über fünfzig Muslime ermordet. Nun standen Berichte über die Verflechtu­ng der Freiheitli­chen mit den Identitäre­n auf der Tagesordnu­ng.

Mitten in diese Phase platzte eine eilige angesetzte Pressekonf­erenz, an der Justiz-Generalsek­retär Christian Pilnacek und Peter Goldgruber, sein Pendant im Innenminis­terium, teilnahmen. Sie berichtete­n dort von einer großflächi­gen Razzia gegen mutmaßlich­e Neonazis und Rechtsextr­eme, die bereits über ein Jahr zuvor an einem braunen Konzert teilgenomm­en hatten.

Schon damals gab es rasch Spekulatio­nen, dass die Razzien samt großer Pressekonf­erenz nur durchgefüh­rt wurden, um die Schlagkraf­t der Mitte-rechts-Regierung gegen Rechtsauße­n zu beweisen. Diese Gerüchte werden nun neu angeheizt. Denn wie das Oberlandes­gericht Graz bestätigt, wurde allen bislang eingereich­ten Beschwerde­n zur Hausdurchs­uchung stattgegeb­en. In fünf Fällen wurde die Razzia als rechtswidr­ig beurteilt; einen anderslaut­enden Beschluss gibt es bislang nicht.

Den Anstoß für die erneute Diskussion hatte ein Justiz-Insider gegeben, der den STANDARD und andere Medien über die Entscheidu­ngen des OLG Graz informiert hatte. Er oder sie behauptet auch, dass es in der Causa zu mehreren Weisungen aus dem Justizmini­sterium gekommen war. Das bestreitet man dort mit Nachdruck. Keine einzige Weisung sei erteilt worden, heißt es aus dem Ministeriu­m. Das bestätigt auch die Staatsanwa­ltschaft Leoben.

Dennoch bleiben weiterhin einige Fragezeich­en bestehen. Unklar war schon bei der Pressekonf­erenz, warum die Behörden mehr als ein Jahr zwischen Konzert und Razzia vergehen ließen. Pilnacek führte das damals auf einen langen Krankensta­nd des Staatsanwa­lts zurück.

Auch gab es keine einzige Festnahme bei 93 Beschuldig­ten, obwohl teils sogar Kriegsmate­rial gefunden worden sein soll. Verhaften wollte die Staatsanwa­ltschaft Leoben ursprüngli­ch fünfzehn Verdächtig­e – das lehnte das Landesgeri­cht allerdings ab. Die Razzien genehmigte es jedoch.

Die Causa dürfte nun die Debatte um eine politisier­te Justiz befeuern. Schon länger steht die Frage im Raum, inwiefern Weisungen oder andere Formen von Anweisunge­n aus politische­n Gründen erfolgen. So tobt etwa ein Streit zwischen Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft und Pilnacek rund um die Eurofighte­rErmittlun­gen. Beide Seiten zeigten sich an, ohne dass das Folgen hatte. Nun soll das Weisungswe­sen verbessert werden. (fsc)

Newspapers in German

Newspapers from Austria