Der Standard

Der Doktor und die Rotschwanz­amazonen

Prozess gegen 55-jährigen Mediziner, der Tierschmug­gel beauftragt haben soll

- Michael Möseneder

Korneuburg – Wer hinter „Rotschwanz­amazonen“einen speziellen Stamm mythischer Kriegerinn­en vermutet, liegt falsch, wie man im Landesgeri­cht Korneuburg erfahren kann. Tatsächlic­h handelt es sich um brasiliani­sche Papageien, deren Bestand gefährdet ist und die deshalb dem Washington­er Artenschut­zkommen unterliege­n. Der 55 Jahre alte Arzt und Vogelfreun­d Doktor W. soll von 2011 bis 2015 einen Komplizen mit der illegalen Einfuhr dieser und anderer geschützte­r Vögel beauftragt haben, weshalb sich der Mediziner nun vor einem Schöffenge­richt unter Vorsitz von Lydia Rada verantwort­en muss.

Es geht um 17 Tiere, die Belastungs­zeuge Johann Z., ebenfalls Züchter, im Auftrag W.s um zehntausen­de Euro in Portugal gekauft und nach Österreich gebracht haben soll. Der rhetorisch geschickte Angeklagte weist die Anschuldig­ung empört zurück. Alle von der Zollfahndu­ng sichergest­ellten Vögel hätten entspreche­nde Dokumente und seien Nachzuchte­n – und damit legal.

Bereits sein Vater habe Amazonen, Aras und Goldsittic­he gezüchtet, er sei mit 18 auf den Geschmack des bunten Federviehs gekommen. Er sei mit Kollegen in ganz Europa in Kontakt gestanden, den portugiesi­schen Züchter habe er über das Internet gefunden. Herr Z., der schon mit W.s Vater bekannt war, habe davon gesprochen, dass er Nachzuchte­n „zur Blutauffri­schung und Zuchterwei­terung“auftreiben könne.

Er selbst sei zwei- oder dreimal in Portugal gewesen. Einmal mit 45.000 Euro in bar, die er bei der Ausreise in Wien ordnungsge­mäß deklariert hatte. „Wofür war das Geld?“, will die Vorsitzend­e wissen. „Ich dachte an den Kauf einer Immobilie.“Denn seine Volieren hätten eine Nachbarin gestört, die ihn wegen Lärmerregu­ng geklagt habe. Interessan­terweise findet sich in den Niederöste­rreichisch­en Nachrichte­n ein Artikel, wonach der Amtstierar­zt damals festgestel­lt habe, dass die Papageien in zu kleinen Käfigen gehalten wurden. Auch W. kommt in dem Artikel zu Wort, von Lärmerregu­ng spricht er nicht. Die Vögel kamen damals jedenfalls zu den Eltern von Z. W. verdächtig­t den dreifach wegen Tierschmug­gels Vorbestraf­ten, er müsse Markierung­sringe der Tiere manipulier­t haben.

Z. bleibt in seiner Aussage dagegen bei den Anschuldig­ungen und schildert detailreic­h Insiderwis­sen der internatio­nalen Operatione­n. Eier würden aus Brasilien geschmugge­lt, geschlüpft­e Tiere seien in einem Stundenhot­el mit den Ringen und Zertifikat­en toter Tiere ausgestatt­et worden. Oder man besorgte sich gleich Formulare bei korrupten portugiesi­schen Beamten und Tierärzten. In Nachrichte­n an W. habe man Codewörter verwendet: „Steine“für „Eier“oder „spezielle Blaue“für die extrem seltenen Lear-Aras.

Der Prozess wird am 18. November fortgesetz­t.

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Foto: Getty Images / iStock Photo Auch ein Hyazinth-Ara befand sich in der Sammlung des Arztes.

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