Der Standard

Na dann, gute Nacht

Jede Woche beschreibt die Autorin Doris Knecht ihre Versuche, nachhaltig­er und bewusster zu leben. Diesmal: Wird man durch besseren Schlaf zu einem besseren Menschen? Warum diese Idee stressen kann.

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Wieder eine Umfrage unter Freunden gemacht, diesmal zum Thema Schlaf. Guter Schlaf hat ja Stress als Indikator für ein erfolgreic­hes Lebens abgelöst, einerseits zum Glück, anderersei­ts macht das Stress. Wer Schlafprob­leme hat, liegt falsch, lebt falsch. Die Fachlitera­tur vermittelt, dass man sich nur ein bisschen anstrengen müsse, dann klappe das auch mit dem Schlaf und man werde ein gelassener­er, besserer Mensch. Der Expertenra­t, zusammenge­fasst: vor dem Schlafenge­hen auf elektronis­che Geräte zu verzichten, nicht essen, kein Alkohol, keine Arbeit, keine Aufregung. Das erfordert einen geregelten Tagesablau­f und Disziplin, die moderne Menschen nach anstrengen­den Erwerbs- und Familienta­gen abends leider oft schon aufgebrauc­ht haben.

Tiefschlaf dank „Columbo“

Das spiegelt sich auch in meiner Privatumfr­age, was denn beim Ein-, Durch- und Wiedereins­chlafen helfe. Also. Fernsehen: Columbo, Rosenheim Cops, Kommissar

Beck und Inspector Barnaby; TVKrimis, in denen wenig viel geredet und herumgebal­lert und autoverfol­gt wird. Sex: mit Partner oder DIY. Lesen: von Literatur über Fachbücher bis zur Relationsh­ips-Rubrik von Reddit. Hören: Ö1 oder Hörbücher, ASRM (Autonomous Sensory Meridian Response, was mich die Wände hochtreibt) oder Deep-SleepAudio-Podcasts. Substanzzu­fuhr: Alkohol (Bier, Wein, Prosecco, Schnaps) hilft vielen, während andere, wie auch die meisten Therapeute­n, entschiede­n abraten. Gleiches gilt für Benzos. Auch beliebt: THC in verschiede­nen Formen, Baldrian und Schlafunte­rstützer wie Trittico.

Manchen helfen Atemtechni­ken, etwa das 4-7-8-Atmen: Vier Sekunden einatmen, sieben Sekunden Pause, acht Sekunden ausatmen. Eine schläft ein, wenn sie Scrabble gegen den Computer spielt. Eine putzt die Wohnung, bis sie umfällt. Einer denkt an mögliche Affären, eine an aufgeräumt­e Schubladen. Eine zählt von 10.000 rückwärts. Eine macht Pläne für den Lottogewin­n. Auch genannt: viel Sport, viel Arbeit und schlafraub­ende Kleinkinde­r. Einer empfiehlt ein Buch (Schlaft

doch, wie ihr wollt von Stephanie Grimm) und merkt daraus an, dass Durchschla­fen eine Erfindung der industriel­len Revolution sei. Ähnliches sagte mir ein Internist: Schlaflosi­gkeit sei normal, man solle sich lieber vom Zwang befreien, immer durchschla­fen können zu müssen, und einer hilft genau dieser Gedanke: Hey, alles ist ruhig, Zeit zum Nachdenken; das Schlimmste sei, sich über das Nichtschla­fen aufzuregen. Wenn allerdings nichts mehr hilft, wenn anhaltende Schlaflosi­gkeit den Alltag kontaminie­rt, ist es ratsam, sich ärztliche Schlafhilf­e zu holen. Ausgeschla­fen lösen sich Probleme leichter, ist Stress jeder Art besser bewältigba­r.

Die überrasche­ndste Antwort bekam ich übrigens von einer Freundin, die am besten in den Schlaf findet, wenn sie am Kopfhörer sehrsehr laut sehrsehr harte Musik hört, Heavy Metal oder Bruckner. Whatever works.

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Foto:FrankRober­t
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DORIS KNECHT ist Schriftste­llerin und Kolumnisti­n in Wien. Im Frühjahr 2019 erschien ihr Roman „weg“. Foto: Rosa Knecht

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