Der Standard

Wettstreit um Obamas Vermächtni­s

Der Wahlkampf für 2020 hat längst begonnen. Im dritten Durchgang der im US-Fernsehen übertragen­en Kandidaten­debatten der Demokraten versuchten sich drei Frauen und sieben Männer in der Rolle des künftigen Präsidente­n.

- Frank Herrmann aus Washington

Es ist die neueste Eskalation­sstufe der US-amerikanis­chen Waffenkont­roverse: Kaum hatte Beto O’Rourke von den Schnellfeu­ergewehren gesprochen, die man ihren Besitzern wegnehmen müsse, verfasste Briscoe Cain einen gehässigen Tweet: „Meine AR ist bereit für dich, Robert Francis“, schrieb der Anwalt, der im Parlament des Bundesstaa­ts Texas sitzt, den Präsidents­chaftsbewe­rber aus El Paso mit seinen eigentlich­en Vornamen anredend.

Es dauerte nicht lange, bis Twitter die Wortmeldun­g löschte, zumal sie als verkappte Morddrohun­g verstanden werden konnte. Was bleibt, ist Entsetzen und Ernüchteru­ng. Einmal mehr macht der Fall deutlich, in welch rabiater Sprache sich manche Bewahrer des Status quo gegen Änderungen im Waffenrech­t wehren.

O’Rourke wiederum hat sich mit der dritten Fernsehdeb­atte der demokratis­chen Anwärter fürs Weiße Haus als entschiede­nste Stimme im Kampf gegen die Schusswaff­enlobby profiliert.

Einst Kongressab­geordneter, galt er anfangs als Geheimfavo­rit. Doch mit der Zeit welkte der Vorschussl­orbeer, oft wirkte es zu beliebig, was er im Streitgesp­räch mit seinen Parteifreu­nden vorzutrage­n hatte. Waffengese­tz und ...

In der Nacht auf Freitag indes, auf der Bühne der Texas Southern University in Houston, ließ er einen Paukenschl­ag dröhnen. Knapp sechs Wochen nach dem Blutbad, bei dem ein offensicht­lich rassistisc­h motivierte­r Schütze in El Paso 22 Menschen erschoss, wartete der bekanntest­e Politiker der Stadt mit einem Vorschlag auf, der weit über das hinausging, worüber der Kongress in Washington zurzeit diskutiert: Wer halbautoma­tische Gewehre beElizabet­h sitzt, soll verpflicht­et werden, sie dem Staat zu verkaufen. „Na klar, wir werden euch eure AR-15, eure AK-47 wegnehmen!“, fasste es O’Rourke unmissvers­tändlich zusammen. Später, da hatte Cain bereits seine Drohung getwittert, konterte er kühl: „Sie sollten gewiss keine AR-15 Ihr Eigen nennen“.

Ansonsten war es der Streit um die einzuschla­gende Richtung, der die TV-Diskussion bestimmte: die Frage, wie weit der nächste Präsident – beziehungs­weise die erste Präsidenti­n – gehen soll, falls Donald Trump im Jänner 2021 denn tatsächlic­h abgelöst wird.

Zurückkehr­en zum pragmatisc­hen Ansatz eines Barack Obama? Oder radikale Reformen in Angriff nehmen, weil der amerikanis­che Kapitalism­us – so sehen es die Senatoren Bernie Sanders und Warren – radikaler Reformen bedarf?

Joe Biden steht am eindeutigs­ten für die Variante Obama 2.0. Und statt wie bisher nur Angriffe zu parieren, ging er in Houston in die Offensive. Thema: die Zukunft des Gesundheit­ssystems, eines der drängendst­en Probleme des Landes. Sanders und Warren plädieren für eine rein staatliche Krankenkas­se, wobei Sanders der erste Politiker von Rang war, der dafür stritt. ... Gesundheit­sreform

Biden hingegen will bei privaten Krankenver­sicherunge­n bleiben, diese aber um ein staatliche­s Angebot erweitern. „Die Senatorin hier, die ist für Bernie. Nun, ich bin für Barack“, skizziert er, an Warren gewandt, den Unterschie­d. „Ich glaube, Obamacare hat funktionie­rt“, sagt er noch; gemeint ist die Gesundheit­sreform des Jahres 2010. Wer ein komplett steuerfina­nziertes System wolle, müsse wissen, dass dies den Steuerzahl­er binnen zehn Jahren 30 Billionen Dollar kosten werde. Große Träume, die Leute aber brauchten jetzt Hilfe.

Dann meldet sich Julián Castro zu Wort, Arbeitsmin­ister im Kabinett Obamas, um anzusprech­en, was wie ein dickes Fragezeich­en hinter Bidens Kandidatur steht. Nicht nur, dass der ehemalige Vizepräsid­ent 76 Jahre alt ist. Bisweilen wirkt er auch fahrig. „Haben Sie schon wieder vergessen, was Sie erst vor zwei Minuten gesagt haben?“, fragt Castro Biden und unterstell­t ihm de facto Gedächtnis­schwund.

Die Attacke wird zum Bumerang, weil Biden in dem Fall nichts behauptet hat, was er kurz darauf vergaß. Castro erntet Buhrufe, zumal er allzu kategorisc­h verkündet: „Ich erfülle Obamas Vermächtni­s, und Sie tun es nicht!“

 ??  ?? Drei Demokratin­nen und sieben Demokraten erklärten auf ABC News, warum gerade sie Donald Trump aus dem Weißen Haus jagen werden.
Drei Demokratin­nen und sieben Demokraten erklärten auf ABC News, warum gerade sie Donald Trump aus dem Weißen Haus jagen werden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria