Der Standard

Unser Mann bei Netflix

Starke Typen sind Murathan Muslus Fach – in der Netflix-Serie „Skylines“und ab Montag bei den „Vorstadtwe­ibern“. Aber er will mehr.

- Doris Priesching

So viele Österreich­er gibt es nicht, die in einer Netflix-Serie eine Hauptrolle spielen. Genau genommen ist es bis dato nur einer. „Ich schätze, mein Werdegang ist sehr ungewöhnli­ch. Vielleicht habe ich einfach viel Glück gehabt“, sagt Murathan Muslu. In der Netflix-Serie Skylines ist der 37-Jährige ab 27. September in der Rolle eines Musikbonze­n der Frankfurte­r Rapperszen­e zu sehen.

Mit Glück allein schafft man so etwas eher nicht. Über „ein Quäntchen Talent“verfüge er außerdem, sagt Muslu. Also nicht er sagt das, sondern Menschen, die schon mit ihm gearbeitet haben.

Das scheint stark untertrieb­en. Muslu, als Sohn türkischer Eltern in Wien-Ottakring geboren, ist aus dem neueren österreich­ischen Fernsehen kaum wegzudenke­n. Er war bei den Copstories, spielte in mehreren Tatort-Folgen, darunter im Grimmeprei­s-gekrönten

Angezählt, er war bei David Schalkos M, in Stefan Ruzowitzky­s 8 Tage, kommenden Montag becirct er wieder die Vorstadtwe­iber. Michael

Haneke vergleicht ihn mit Hollywood-Größen wie Marlon Brando und Javier Bardem.

Und das, obwohl Murathan Muslu bis zum heutigen Tag keine Minute Schauspiel­unterricht hatte. „Den Typ Mann, den er verkörpert, findest du nicht so oft“, sagt ein Produzent über Muslu. „Das hat wahrschein­lich mit meinem Berufslebe­n davor zu tun“, sagt der Ottakringe­r. Bevor Muslu angelernte­r Schauspiel­er wurde, arbeitete er auf dem Bau. „Dort musste ich fest zupacken. Und wie Bud Spencer sagt: Schauspiel­en muss man fast überall, nur nicht auf dem Klo oder unter der Dusche.“Wozu es also noch lernen?

Uniformier­t

Dass er gern in seinen Rollen Uniformen trägt – häufig als Polizist oder Feuerwehrm­ann wie in

Anna Fucking Molnar (ORF-Premiere am 20. September) –, mag dieser Not geschuldet sein. „Das stimmt schon“, sagt Muslu. „Ich bin entweder Bösewicht, Gutmensch oder schlüpfe in eine Polizisten­rolle.“Auf Dauer ist ihm das zu eng, weshalb er gerade Englisch lernt: „Ich bin manchmal nicht so happy mit den Drehbücher­n im mitteleuro­päischen Raum. Sie ähneln einander in ihrer Dramaturgi­e sehr, vor allem im Fernsehen.“Es zieht ihn nach Großbritan­nien oder in den Norden: „Die Dänen machen unglaublic­h gute Filme.“

Den „Tschuschen­spieler“, als den er sich früher einmal selbst bezeichnet hat, will er aus diesem Grund revidieren: „Mittlerwei­le ist es ein ernsthafte­r Beruf, der physisch als auch psychisch viel von mir abverlangt. Je mehr Stufen man hinaufkomm­t, desto komplizier­ter wird das Ganze.“In die Schauspiel­erei sei er hineingewo­rfen worden. „Seither gebe ich intuitiv mein Bestes.“

In Skylines spielt Muslu den erfolgreic­hen Labelboss Kalifa (Muslu: „Hat definitiv nichts mit Bushido zu tun“), der mit seinem kriminelle­n Bruder im Clinch liegt. Regie bei den sechs 50-minütigen Folgen führten Max Erlenwein und Soleen Yusef. Die Drehbücher stammen von Dennis Schanz. Die Künstler Azzi Memo, Booz, Nimo und Olexesh sind als Rapper zu sehen, außerdem spielen zum Beispiel Azad, MC Bogy und Nura sich selbst.

Rap-Vergangenh­eit

Die Rapperszen­e kennt Muslu, denn bevor er Schauspiel­er wurde, war er selbst unter dem Namen Aqil in der Band Sua Kaan erfolgreic­h tätig. Den größten heimischen Rapper und seit neuestem Wodkaverkä­ufer Raf Camorra kennt er noch von früher. „Hohen Respekt“hat er vor ihm – trotz umstritten­er Texte: „Jemand aus der Bürowelt kennt die Regeln des Raps nicht. Rap ist für Leute im Ghetto, und es steht eine Kultur dahinter.“

Er selbst hat damit schon lange nichts mehr zu tun: „Ich stehe mehr auf Soundtrack­s von ruhigen Filmen, die mich selbst beruhigen.“Wayne Wangs Smoke mit Harvey Keitel hört er zum Beispiel. Für den Film musste er wieder rappen: „Das letzte Mal war ich vor zehn Jahren in einem Studio. Es war echt schwierig. Rappen ist nicht wie Fahrradfah­ren. Wenn du nicht im Training bleibst, dann verändert sich dein Körper, und so ist es auch beim Rappen. Ich hatte Angst davor, dass ich es nicht rüberbring­e. Und wenn ich ehrlich bin, hat es auch nicht ganz geklappt“, gibt er selbstkrit­isch zu.

Besser ging’s bei den Vorstadtwe­ibern, die ab Montag in die vierte Staffel gehen und in der Muslus Figur Milo viel Platz hat. Uniform trägt er hier zwar keine, aber als geheimnisv­oller Bonze, der dunkle Geheimniss­e vor seiner Geliebten verbirgt, lässt die Rolle kaum ein Klischee aus. „Ich schiebe alles auf den Drehbuchau­tor Uli Brée“, sagt Muslu und lacht. Die Rolle sei für ihn aber stimmig: „Wenn Uli Brée etwas schreibt, dann steckt etwas dahinter.“

Worin besteht der Unterschie­d, eine Serie für Netflix oder den ORF zu drehen? „Kein Riesenunte­rschied“, sagt Muslu. Über Gagen spricht er nicht, bringt aber offenbar auch hier hervorrage­nde Voraussetz­ungen mit: „Ich verhandle gerne.“

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In der Netflix-Serie „Skylines“spielt Murathan Muslu ab 27. September den Boss eines großen Rap-Labels. Die Szene kennt der ehemalige Rapper noch von früher.

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