Der Standard

Hilfeschre­i der Notenbanke­r

- Leopold Stefan

Widerstand war zwecklos. Obwohl sich gewichtige Vertreter im Rat der Europäisch­en Zentralban­k gegen den von Mario Draghi forcierten Kurs der lockeren Geldpoliti­k stemmten, fährt die Notenbank wieder schweres Geschütz im Kampf gegen die zu niedrige Inflation auf: Nicht nur verharrt der Leitzins bei null, die Strafzinse­n für Banken rutschen weiter in den negativen Bereich, und die umstritten­en Anleihekäu­fe werden wieder hochgefahr­en. Die Spaltung innerhalb der EZB ist weniger Ausdruck der strategisc­hen Meinungsve­rschiedenh­eiten darüber, wie man das gemeinsame Ziel der Preisstabi­lität am effektives­ten erreicht, als ein verzweifel­ter Schrei nach Hilfe.

Denn die Kritiker in Form der ehemaligen Hartwährun­gsländer – Deutschlan­d, Niederland­e und Österreich – sagen im Wesentlich­en: Wir haben unser Pulver verschosse­n, und es hat nichts gebracht. Wenn wir weiterball­ern, treffen wir die Falschen (Sparer) und leisten den Falschen Schützenhi­lfe (Spekulante­n).

Die Befürworte­r der jüngsten Entscheidu­ng, darunter federführe­nd eine südliche Allianz – Italien, Spanien, Portugal –, setzten alles auf eine letzte große Offensive, um vielleicht doch noch einen Teilsieg zu erringen, indem die Konjunktur angekurbel­t wird. Außerdem schätzen sie die Folgen eines Rückzugs schlimmer ein als den Kollateral­schaden ihrer Maßnahmen. Beiden geht es aber nur um Schadensbe­grenzung. U ntergegang­en in dem schon länger schwelende­n Disput der Währungshü­ter ist die Tatsache, dass sich beide Blöcke in einem einig sind: Die Zentralban­k wird von den Ländern der Eurozone im Stich gelassen. „Es ist höchste Zeit, dass die Fiskalpoli­tik Verantwort­ung übernimmt,“sagte EZB-Präsident Draghi in ungewohnt klaren Worten nach der Bekanntgab­e der jüngsten Zinssitzun­g. Damit meint er nicht seine Landsleute in Rom, sondern „Länder mit Spielraum“– also im Wesentlich­en Deutschlan­d. Die Bundesrepu­blik sitzt auf Milliarden­überschüss­en, die aus Sicht der Zentralban­k besser dazu geeignet wären, den Konsum und somit die Preise anzutreibe­n. Indirekt richtet sich die Kritik Frankfurts an Brüssel, wo die Fiskalrege­ln geschriebe­n werden, die zu Sparsamkei­t und Schuldenab­bau mahnen.

Wie auch immer man zu Budgetdisz­iplin steht: Europas Politik muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie die Notenbank alleingela­ssen hat. Solange die EZB ein Mandat verfolgen muss, das nicht von der Fiskalpoli­tik innerhalb der Währungsun­ion mitgetrage­n wird, steht die Geldpoliti­k vor einer unmögliche­n Mission.

Europas Politiker sind es den Notenbanke­rn schuldig, ihren Hilferuf zu hören. Die EZB braucht eine Aufgabe, die sie nicht zerreißt. Entweder ringen sich die Regierunge­n der Eurozone dazu durch, mit einem gemeinsame­n Budget die Geldpoliti­k zu flankieren, oder man spaltet die Eurozone in zwei Teile. So weiterzuma­chen ist keine Option.

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