SUVs – stark, umstritten und vielgeliebt
Dass nicht die ganze Autowelt zur IAA kommt, ist ungewohnt. Fast reduziert sie sich auf eine deutsche Leistungsschau. Doch sie zeigt: Die E-Auto-Ära beginnt.
Jetzt hat es also auch die IAA erwischt. Sogar der wichtigsten Branchenmesse der Welt laufen die Hersteller davon, viele haben heuer abgesagt, das Konzept Automobil-Salon läuft sich angesichts der elektronischen Revolution wohl langsam endgültig tot. Zudem kriselt die Branche, die den endgültigen Umbruch in die Elektromobilität zu stemmen hat, an mehreren Fronten.
Nicht präsent sind, außer etlichen Luxusmarken: FCA (Alfa, Fiat, Jeep etc.), GM (Chevrolet, Cadillac), Kia, Mazda, Mitsubishi, PSA (Citroën, DS, Peugeot), Renault-Nissan (mit Dacia; daran ändert auch das Faktum nichts, dass Renault „im Rahmen der IAA“den neuen Captur präsentierte), Suzuki, Subaru, Toyota (Lexus), Volvo. Frankreich und Italien bleiben der Messe damit fern, aus Japan hält nur Honda die Flagge hoch, aus Korea Hyundai.
Allerdings backen selbst die Hausherren „kleinere Brötchen“, speziell BMW und auch der VWKonzern – heißt: räumlich teilweise deutlich reduzierter Auftritt. Inhaltlich zeigt sich vor allem: ungebrochener SUV-Boom, und die deutsche Elektrogroßoffensive läuft an. Es folgt ein Überblick der wichtigsten Neuheiten und Studien im Telegrammstil, alphabetisch nach Konzernen sortiert.
BMW Salonüberraschung Concept
■ 4, Weltpremiere für den neuen X6, Messepremieren für 1er, 8er Gran Coupé, 3er Touring, M8 Coupé und Cabrio, Mini Cooper SE und die BMW-Studie Vision M Next, Facelift A1. Wir konzentrieren uns auf das, worüber wir noch nicht berichtet haben: Concept 4, X6, 8er Gran Coupé, M8. Concept 4: vielleicht der IAA-Showstopper. Atemberaubend. Nimmt das Design des 2021 kommenden E-BMWs i4 vorweg, der dann aber statt zwei wohl vier Türen haben wird. X6: dritte Auflage des über alle Erwartungen erfolgreichen SUV-Coupés in der adretten Gestalt eines Sumoringers. Bleibt sich stilistisch treu, wächst um 2,6 cm auf 4,94 m Länge und startet im November mit je zwei Dieseln (265, 400 PS) und Benziner (340, 530 PS), Preise: 84.250–120.850 €. 8er Gran Coupé: bildschön. Gestreckte Eleganz. Vier Türen. Ein Diesel (320 PS), zwei Ottos (340, 530 PS). 102.750 bis 143.250 €. Ab November. M8: Hochleistungsversionen von 8er Coupé und Cabrio, heiß begehrt bei Reich und Schön, TwinPower-Turbo-V8 mit 600, beim Competition-Paket mit 625 PS – das Coupé startet bei 197.000 €, das Cabrio bei 208.450 €. Der Rest im Staccato. 1er: erstmals Frontantrieb. Ab 28. September, 116 bis 306 PS, 29.450 bis 55.000 €. 3er Touring: ab Oktober, 150 bis 374 PS, 44.000 bis 56.500 €. Mini Cooper SE: ab 7. März, 135 kW (184 PS), 235 km WLTP-Reichweite, ab 32.950 €.
DAIMLER Als Highlight schiebt
■ Mercedes die Elektrostudie EQS ins Rampenlicht. Sie zeigt, wie es weitergeht mit der Zukunftstechnologiemarke EQ. Der EQS ist eine erste Fingerübung auf einer eigenen, vollvariablen batterieelektrischen Antriebsplattform, Format: S-Klasse. Konfiguration: ca. 350 kW (476 PS), ca. 700 km Reichweite. Und damit das klar ist: Die Sache ist ernst gemeint, das Serienmodell kommt womöglich noch 2020. Daneben treiben die Deutschen die Elektrifizierung massiv voran, es debütieren etliche Plugin-Hybride (A-, B-Klasse, GLC und der Diesel-Plug-in GLE 350 de) und die Batterieelektriker EQV (ab Frühjahr 2020) sowie Smart Fortwo und Forfour EQs (Facelift; ab Anfang 2020). Und weil BMW den neuen X6 mitgebracht hat, hält Mercedes mit der Weltpremiere des GLE Coupés (ab Februar) gegen. Die zweite Generation wirkt weiterhin schwer machoid, aber glatter, eleganter. Wächst um vier Zentimeter auf 4,94 m, technisch ist vor allem auf das 48-Volt-Netz zu verweisen, und motorisch bedient sich das Coupé aus dem im normalen GLE verfügbaren Programm. Deutlich weniger Aufmerksamkeit, aber mehr Breitenwirksamkeit entfalten wird der GLB, der sich noch im Herbst zwischen GLA und GLC positioniert. Interessanter, flexibler, variabler SUV mit 4,63 m Länge, bis zu sieben Plätzen und viel Kofferraum (560 bis 1755 l). Drei Diesel (116, 150, 190 PS) und zwei Benziner (163, 224 PS) stehen zur Auswahl, ebenso Frontantrieb und Allrad. Preispalette: 41.650 bis 53.460 €.
FORD tut sich in Europa eng mit
■ VW zusammen, übernimmt etwa deren E-Baukasten MEB und skizziert auf der IAA, wie alle anderen auch, die „Mobilität von Morgen“– gezeigt wird dabei das ganze momentan verfügbare Portfolio an Mild-, Voll- und Plug-in-Hybriden im Pkw- und Nutzfahrzeugbereich. Dazu zählt mit seinem Mildhybrid-Antrieb (125 und 155 PS) auch der neue Puma, der Anfang 2020 startet. Und nein, wenn Sie womöglich „Hurra“rufen, „endlich wieder ein hübsches, günstiges Coupé von Ford!“– falsch geraten, da fährt ein SUV vor, bestenfalls mit Coupé-Silhouette.
HONDA Der einzige auf der IAA
■ vertretene Japaner hat eine einzige Neuheit mitgebracht, eine einzigartige für den Hersteller sogar: den Honda e. Schlichter Name für deren erstes, mit viel Vorschusslorbeeren bedachtes batterieelektrisches Großserienfahrzeug, das mit unter 3,90 m Länge und nur 8,6 m (!) Wendekreis perfekt in die Stadt passt. Das Serienmodell hat viel vom Design der Studie ins echte Autoleben hinübergerettet, und technisch sieht es so aus, dass der Hecktriebler über zwei E-Motor-Leistungsstufen verfügt: eine mit 100 kW (136 PS; ab 34.990 €),
eine mit 113 kW (154 PS; ab 37.990 €). Die 35,5-kWh-Batterie erlaubt dabei Reichweiten von bis zu 220 km. Ab Frühsommer.
HYUNDAI Mit 3,67 m Länge
■ gleich lang wie bisher, also noch kompakter als der Honda e, aber konventionell angetrieben und in schmucker Aufmachung präsentiert sich der neue i10. Flacher, breiter und innen dank größeren Radstands mit mehr Platz, bezieht der Kleine selbstbewusst Position in einem in Europa von strengen Abgasreglements bedrohten Fahrzeugsegment. Zum Start im Jänner stehen zwei Benziner zur Auswahl, ein 3-Zylinder mit 1,0-LiterMPi-Dreizylinder mit 67 PS und ein 4-Zylinder mit 84 PS. Zu vermelden wäre weiters das Concept 45, ein wie mit dem Lineal gezogenes SUV-Coupé mit Vorschau aufs neue Markendesign. Wichtiger ist aber die Botschaft: Ähnlich wie VW legt sich auch der Fernost-Konzern einen Elektrobaukasten zu. Außerdem wird das KonaAngebot um eine Hybridversion mit 141 PS Systemleistung erweitert (ab Oktober ab 27.990 €).
JLR Nichts Neues bei Jaguar, dafür
■ eine Singularität (wenn auch keine kosmische) bei Land Rover:
Der neue Defender ist fertig! Die Neuauflage des unverwüstlichen Geländehaudegens kommt stilistisch plausibel in die Gegenwart gedacht daher, lässige Kiste, keine Frage, und soll im Gelände noch mehr können als bisher. Und das, obwohl er auf keiner Leiterrahmenkonstruktion mehr basiert, sondern auf einer selbsttragenden (Alu-)Karosserie. Es gibt, getreu dem Vorgänger, eine fünftürige Version mit langem Radstand und der historisch tradierten Bezeichnung Defender 110 sowie eine dreitürige mit kurzem namens 90. Motoren? Zwei Diesel (200, 240 PS), ein Benziner (300 PS), ein MildHybrid (400 PS), und die 8-GangWandlerautomatik hat auch eine Geländeuntersetzung, ÖsterreichStart ist im Frühling, Preise? Der 110er startet bei 65.700, der etwas später folgende 90er bei ca. 59.000.
PSA Den Auftritt des französischen ■ Konzerns stemmt die deutsche Tochter Opel im Alleingang. Weltpremiere für Corsa und Corsa-e, um sie dreht sich alles auf dem Stand, beide basieren auf der kleinen, der CMP-Plattform des PSA-Konzerns. Der fesche, 4,06 m lange Elektro-Opel fährt im Frühjahr mit 100 kW (136 PS) Leistung vor, die 50-kWh-Batterie sorgt für bis zu 330 km Reichweite (WLTP), der Preis liegt bei 29.999 €. Der konventionelle Opel startet schon jetzt im Herbst, zur Auswahl stehen drei Benziner (75. 100, 130 PS) und ein Diesel (102 PS), Preispalette: 14.639–22.349 €. Außerdem: Astra-Facelift (ab sofort) und Grandland X Hybrid4, die Plug-inVersion (ab Frühjahr).
VW Zum IAA-Schwerpunkt des
■ Konzerns steuert Audi mit dem AI:Trail einen „elektrisch angetriebenen Offroader“bei, mit vier E-Motoren, 320 kW (435 PS), WLTP-Reichweite 400 bis 500 km, und wer meint, autonomes Fahren beschränke sich auf Straßen, wird hier eines Besseren belehrt; es geht auch abwegig. Daneben gehen fast unter: Q3 Sportback – das SUV-Coupé-Derivat startet im Oktober mit einem Diesel (150 PS; ab 41.720) und einem Otto (230 PS; ab 49.960) – und RS 7 Sportback (V8-Biturbo, 600 PS; ab Dezember). Nicht elektrisch, aber elektrifiziert geht es bei Lamborghini zu – beim Sián (=Blitz) handelt es sich um einen auf 63 Stück limitierten Hybrid-Supersportwagen mit V12-Aggregat, Superkondensator und 819 PS. Die echte Revolution im Sportwagenbau findet hingegen bei Porsche statt. Der Taycan startet im Jänner, zur Auswahl stehen zunächst der Turbo mit 500 kW (680 PS; ab 156.153 €) und der Turbo S mit 560 kW (761 PS; ab 189.702 €), hie 450 km, da 412 km WLPT-Reichweite. Design eindeutig Porsche, eindeutig Zukunft, und auch darauf ist man stolz: erstes Serienfahrzeug mit 800 Volt Systemspannung statt der sonst bei E-Autos üblichen 400. Sodann: Macan Turbo. Das Topmodell des kleinen PorscheSUVs prescht im Oktober mit neuem 2,9-Liter-Sechszylinder-Biturbo vor, mit 440 PS, Kostenpunkt: 114.893 €. Ähnlich wie Audi zeigt auch Seat eine Elektrostudie, eine der Submarke Cupra: Tavascan Electric Concept. 225 kW (306 PS) stemmen dessen zwei E-Motoren, vom Konzept her ein SUV-Coupé, da kann nix schiefgehen, sollte an einen Serienauftritt gedacht sein, was nicht ganz unrealistisch scheint. Zudem debütiert der erste Plug-in-Hybrid Seats, der Tarraco FR PHEV. Systemleistung: 245 PS (180 kW), Marktstart: Frühjahr. Aufgrund der Schwerpunktsetzung wird man auf der IAA den neuen Škoda Octavia vergeblich suchen, aber man zelebriert 60 Jahre Octavia-Historie, mit einem Oldtimer der ersten Generation. Der Rest ist aktuelles Modellprogramm, Grundtenor: Škoda hat alle Antriebsvarianten im Angebot, Verbrenner inklusive Erdgas, Plug-in bis Elektro. Bei der Kernmarke VW selbst konzentriert sich alles auf den ID.3, selbst der neue Golf musste zurücktreten, er debütiert nach der IAA separat. Erstes Auto auf MEB-Basis (modularer EAntriebs-Baukasten) und ein ganz, ganz wichtiges für die Mobilitätswende im größten Autokonzern der Welt, weltweit liegen schon über 30.000 Reservierungen vor. Stilistisch sehr gefällig, das ist ein richtig fesches, schnörkelloses Auto geworden. Der in die Hinterachse integrierte E-Motor leistet 150 kW (204 PS), das Batterienangebot ist skalierbar, es gibt nämlich dreie zur Auswahl: eine mit 45 kWh, eine mit 58, eine mit 77 – entsprechend staffeln sich die WLTPReichweiten in 330, 420, 550 km. Mit 4,26 m Länge bleit der ID.3 wie erwartet auf Golf-Niveau, wirkt aber innen geräumiger. Im Sommer geht es los, der Startpreis liegt vermutlich bei etwa 30.000 €. Und weil der gesamte VW-Auftritt der E-Mobilität gilt, ist erstens noch die ganze Riege an ID.-Showcars der vergangenen Jahren zu sehen, und zweitens wurde das T-Roc Cabrio an den Pressetagen nicht gezeigt – sondern erst an den Publikumstagen.