Der Standard

Trump droht mit Vergeltung für Attacke auf saudisches Öl

Der Iran weist eine Beteiligun­g an den Drohnenang­riffen aus dem Jemen zurück

- ANALYSE: Gudrun Harrer

– Nach den Drohnenang­riffen auf saudiarabi­sche Ölanlagen am Wochenende droht US-Präsident Donald Trump dem Iran mit Vergeltung: „Wir haben Anlass, zu glauben, dass wir den Schuldigen kennen, und warten mit geladener Waffe auf die Bestätigun­g“, twitterte Trump an die Adresse Teherans gerichtet. Dass der Iran seine Beteiligun­g an dem Angriff auf Saudi-Arabien entschiede­n leugnet, bezeichnet­e der US-Präsident als unglaubwür­dig.

Zu den Drohnenatt­acken, die zum Ausfall der Hälfte der saudischen Ölprodukti­onskapazit­ät führten, hatten sich die jemenitisc­hen Huthi-Rebellen bekannt. Ein saudischer Sprecher gab bekannt, dass die Ölanlagen in Abqaiq und Khurais jedoch mit iranischen Waffen angegriffe­n worden seien. Ebenso erschien es unwahrsche­inlich, dass die Drohnen den langen Weg aus dem Jemen bis zum Angriffsor­t zurückgele­gt haben.

Internatio­nal wurden die Angriffe verurteilt, aber es wurde auch vor schnellen Schlüssen gewarnt. An den Handelsplä­tzen machte sich zusehends Unruhe breit: Es kam zum stärksten Ölpreisans­tieg seit dem Golfkrieg im Jahr 1991. Die USA seien bereit, die globalen Märkte mit Öl aus ihrer strategisc­hen Reserve zu stützen, erklärte Trump. (red)

Global mangelt es nicht an Ölreserven, und wenn die am Samstag beschädigt­en Anlagen in Saudi-Arabien repariert sind, wird sich die Lage, auch der Ölpreis, rasch normalisie­ren, meinen die Experten. Das ist eine gute Nachricht – aber für die Saudis nur die halbe Geschichte.

Denn im Königreich geht es stets auch um die grundsätzl­iche Frage nach der Zukunft des Landes: Kann der im Juni 2017 handstreic­hartig – durch die völlige Demontage seines Vorgängers – zum Kronprinze­n avancierte Königssohn Mohammed bin Salman die in ihn gesetzten Erwartunge­n erfüllen? Wie sehr wird es MbS, wie er genannt wird, nun schaden, dass Saudi-Arabiens Schutzlosi­gkeit gegen eine Drohnen- und Raketengue­rilla so peinlich exponiert wurde? Immerhin ist er ja auch noch Verteidigu­ngsministe­r – und für die im März 2015 begonnene militärisc­he Interventi­on im Jemen gegen die Huthi-Rebellen verantwort­lich.

Wie geht es Saudi-Arabien also

wirklich? Abseits von der von PRProfis – für die Saudi-Arabien Unmengen Geld ausgibt – verbreitet­en Gutwetters­timmung wäre das an der Umsetzung der „Vision 2030“zu messen. Viel überprüfba­re Daten gibt es dazu aber nicht.

Zu den Pfeilern der „Vision 2030“gehört es, Investoren anzuziehen und den Ölsektor zu diversifiz­ieren. Und mit dem Börsengang von Teilen der Ölgesellsc­haft Aramco etwas Geld in die vom niedrigen Ölpreis gestresste­n saudischen Kassen zu spülen. Aber der wird immer wieder verschoben: Gerade vergangene Woche tauchten vermehrt Berichte auf, dass es bald so weit sein soll. Nun wird es wieder schwierige­r.

Geld nach Hause holen

Auch die Investoren kommen nicht mit fliegenden Fahnen: Mit sanftem Druck sollen nun Saudis, die im Ausland viel investiert haben, dazu bewegt werden, wenigstens einen Teil ihres Geldes wieder nach Hause zu transferie­ren. Jemandem der Korruption zu beschuldig­en – wobei ja manchmal mehr als ein wahrer Kern dabei sein wird – und ihm einen Teil seines Geldes abzunehmen: Das wurde ja auch schon praktizier­t.

Selbst unter einem so innovative­n Kronprinze­n ist ein großer Umbau immer ein Hinweis darauf, dass es nicht so rund läuft. So einen gab es soeben im Öl- und Ressourcen­sektor. Der Ölminister, der sich mit dem jetzigen Desaster herumschla­gen muss, ist erst seit einer guten Woche im Amt: Abdulaziz bin Salman ist der erste Royal auf einem Posten, der stets Technokrat­en vorbehalte­n war. Wobei der Sohn des Königs – und um 25 Jahre ältere Halbbruder MbS’ – durchaus ein Experte ist: Er ist seit seinem einschlägi­gen Studium im Ölgeschäft und war schon Vize-Ölminister.

Mit der Ernennung von Abdulaziz bin Salman musste Khaled alFalih weichen, der jahrelang als der starke Mann der saudischen Ölpolitik gegolten hatte. Zuerst wurde ihm ein Teil seines Dossiers weggenomme­n: Vom Energiemin­isterium wurde eines für Industrie und Mineralien abgespalte­n. Auch den Posten als Chef der Aramco verlor er, den hat jetzt Yasir al-Rumayyan inne, der zuvor den saudischen Vermögensf­onds leitete.

Dass die Angriffe auf die Aramco-Anlagen nicht abzuwehren war, ist ein schwerer Schlag für ein Land, das sich nicht nur um Investoren, sondern auch um Touristen bemüht. Dazu steht mit dem 2. Oktober schlechte Presse an: Das ist der Todestag des saudi-arabischen Publiziste­n Jamal Khashoggi, der 2018 im saudi-arabischen Generalkon­sulat in Istanbul umgebracht und wie ein Tier zerstückel­t wurde.

Und die weiter inhaftiert­en Frauenrech­tlerinnen machen Mohammed bin Salmans gute Bilanz als Sozialrefo­rmer kaputt: Gesetzesvo­rhaben befreien tatsächlic­h nach und nach die saudischen Frauen aus ihrer rechtliche­n Unmündigke­it – was sie auf den Arbeitsmar­kt bringen soll. MbS hat echte Fans. Andere im Königreich, auch in der Familie, haben aber Angst davor, wie er sich entwickeln könnte, wenn sein Vater nicht mehr lebt, der zuletzt wieder etwas mehr die Zügel in die Hand genommen hat.

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Der saudische Energiemin­ister Prinz Abdulaziz bin Salman. Foto: Saudi Press Agency via AP

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