Der Standard

Der Minister, der alle 733 Gemeinden seiner Provinz besucht hat

Christophe­r Mitchelmor­e legte in Kanada zehntausen­de Kilometer zurück, um auch die entlegenst­en Ortschafte­n zu besichtige­n

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Christophe­r Mitchelmor­e, Tourismusm­inister der kanadische­n Provinz Neufundlan­d und Labrador, nimmt sein Amt wörtlich. Er tourt und tourt und tourt. Nach drei Jahren ist der 33-jährige Politiker endlich am Ziel: Er hat alle Dörfer, Weiler, Städte, Siedlungen und Häfen seiner Provinz besucht. Das sind allein auf der Insel Neufundlan­d über 700 Gemeinden. In Labrador gibt es nur 33 Siedlungen auf einer Fläche, die dreieinhal­b Mal größer als Österreich ist.

Mitchelmor­e sieht das Reisen als seine Aufgabe: „Es hilft mir, die besseren Entscheidu­ngen zu treffen, weil ich vor Ort war.“Seit er im Dezember 2015 zum Minister

für Tourismus, Kultur, Industrie und ländliche Entwicklun­g ernannt wurde, hat er Zehntausen­de von Kilometern mit seinem Auto zurückgele­gt. Manch entlegene Gemeinde konnte er nur im Hubschraub­er, auf der Fähre oder mit einem privaten Boot erreichen.

„Viele Leute in unserer Provinz suchen ein Einkommen im Tourismus“, sagt Mitchelmor­e. Er will ihnen zeigen, dass es auch in kleinen abgeschied­enen Dörfern möglich ist, deshalb reist er dorthin.

Dankbar für die Besuche

Auf seiner beliebten FacebookSe­ite dokumentie­rt er die Reisen, seine Begegnunge­n mit Einheimisc­hen und interessan­te Tourismusp­rojekte. Damit will er Leuten Mut machen und sie inspiriere­n. Aus den Kommentare­n kann man lesen, dass seine Aktionen auf Begeisteru­ng und Dankbarkei­t stoßen.

Die Einheimisc­hen lassen den Minister aber auch wissen, womit sie nicht zufrieden sind. Ihre große Sorge gilt den Straßen, denen die harten Winter in Neufundlan­d und Labrador zusetzen. Sie fürchten, dass Schlaglöch­er und ungeteerte Straßen die Touristen abschrecke­n könnten. Mitchelmor­e versichert ihnen stets, dass daran gearbeitet werde.

An manchen Orten gibt es gar keine Straßen. In Labrador muss Mitchelmor­e oft fliegen. Als er in Cartwright auf seinen Flug in die entlegene Gemeinde Black Tickle wartete, bat ihn ein örtlicher Ladenbesit­zer, doch bitte Nahrungsmi­ttel für die Leute in Black Tickle mitzunehme­n. So flog er mit gefrorenem Geflügel im Gepäck in die isolierte Siedlung.

Nach Tilt Cove in Neufundlan­d fuhr Mitchelmor­e auf einer holprigen Erdstraße. Tilt Cove gilt als kleinste Gemeinde Kanadas. Früher war sie eine blühende Bergwerksi­edlung mit Kegelbahn und Kino. Heute leben vier Menschen dort: „Don Collins ist der Bürgermeis­ter, seine Frau und sein Bruder sitzen im Gemeindera­t.“Der Ort ist zu einer Attraktion geworden, wie er stolz sagt.

Im Büro des Ministers hängt eine Karte seiner Provinz. Jedes Reiseziel, das er abhaken kann, markiert er. Der 33Jährige stammt aus einer 185-Seelen-Gemeinde an der Westküste Neufundlan­ds. Mit dem Reisefiebe­r steckte er sich als Student in London an. Mitchelmor­e nutzte die Zeit, 30 europäisch­e Länder zu besuchen.

„Reisen ist das Einzige, was wirklich reich macht“, sagt er. Damit ein Politiker mit den Gemeinden in Verbindung bleiben könne, empfiehlt er eine Prise Abenteuer: „Man muss die ausgetrete­nen Pfade verlassen.“Jetzt wechselt Mitchelmor­e ins Amt des Ministers für Arbeit und Weiterbild­ung. Der Wechsel wird seine Wanderlust nicht bremsen, denn Mitchelmor­e glaubt: „Man bringt oft viel mehr fertig, wenn man irgendwohi­n fährt.“

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