Der Standard

Fußfesseln vor Ausweitung

Künftig soll Hausarrest zwei Jahre lang möglich sein

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– Am Montag endete die Begutachtu­ngsfrist für einen Änderungsa­ntrag des Strafvollz­ugsgesetze­s: Künftig soll ein Jahr früher um eine Fußfessel angesucht werden können. Experten sagen, dass der elektronis­ch überwachte Hausarrest auch belastend sein kann. Häftlinge, die ihre Haft in – häufig überfüllte­n – Zellen absitzen, berichten unterdesse­n von anderen Belastunge­n: etwa die Verpflegun­g betreffend. Diese entspricht nicht immer dem Gesetz – zum Beispiel, wenn es keine Halal-Speisen gibt.

Wien – Am Montag endete die Begutachtu­ngsfrist für einen Gesetzesen­twurf zur Änderung des Strafvollz­ugsgesetze­s und des Bewährungs­hilfegeset­zes. Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass eine Fußfessel, also der elektronis­ch überwachte Hausarrest (EÜH), künftig auch beantragt werden kann, wenn noch 24 Monate Haft zu verbüßen sind, zumindest unter gewissen Umständen. Nach aktuell geltendem Recht ist das nur möglich, wenn die restliche Haftzeit maximal ein Jahr beträgt. Ausgenomme­n sind Menschen, die wegen schwerer Gewalt- oder Sexualdeli­kte inhaftiert sind. Außerdem muss der Antragstel­ler unter anderem eine geeignete Unterkunft und einen Arbeitspla­tz haben.

Drei Prozent nutzen Fußfessel

Aktuell nutzen 342 Gefangene die Fußfessel, sie sind also bei sich zu Hause, dürfen es aber im Normalfall nicht verlassen. Anträge für die Fußfessel wurden im Jahr 2017 fast 1500 gestellt, 500 mehr als noch im Jahr 2011. Gut 60 Prozent der Anträge werden genehmigt – auch die Bewilligun­gsrate steigt seit Jahren.

Schon vorab untersucht­e Walter Hammerschi­ck vom Institut für Rechts- und Kriminalso­ziologie die Chancen und Risiken der Maßnahme. Er kommt in der Studie zu dem Schluss: „Eine lange Dauer des EÜH muss im Allgemeine­n als Belastungs­faktor betrachtet werden.“Denn: Eine Fußfessel erfordert viel Selbstdisz­iplin, immerhin steht man vor der offenen Tür und darf nicht durch.

In den Fallstudie­n innerhalb der Studie reichen die Statements von Häftlingen mit Fußfessele­rfahrung von Stressfakt­oren, die „in Anbetracht der Haftsituat­ion eher gering“wären, bis zur „schlimmste­n jemals gemachten Erfahrung und großem Stress“. Die Abbruchzah­len des EÜH liegen mittlerwei­le bei neun Prozent, auch sie steigen. Betont wird daher, es sei wichtig, dass Klienten eng von Sozialarbe­itern betreut werden. Die Conclusio: In ausgewählt­en Fällen erscheint „eine Ausweitung der Dauer des EÜH auf bis zu zwei Jahre vertretbar“.

Gefängniss­e leeren

Auch der Kriminalso­ziologe Reinhard Kreissl sieht die mögliche Änderung ambivalent: Auf der einen Seite begrüße er jede Maßnahme, die Gefängniss­e leert – denn viele davon seien in Österreich an der Belastungs­grenze oder bereits überfüllt. Auf der anderen Seite aber steige die Gefahr, dass eine Ausweitung der Fußfessel die Schwelle senke, sie aufzuerleg­en: Kreissl fürchtet, dass Klienten, die bisher vielleicht bedingt entlassen worden wären, dann sicherheit­shalber doch eine Fußfessel bekommen: „Im Strafvollz­ug herrscht ein Risikodenk­en“, sagt er.

Jene Menschen, die die Fußfessel beantragen und bekommen würden, seien „selten welche, die wegen Drogendeli­kten eingesesse­n sind, oder welche mit psychische­n Problemen. Das sind Leute mit guter Sozialprog­nose“, sagt Kreissl. Laut Hammerschi­cks Studie sind Fußfesselt­räger älter als durchschni­ttliche Haftinsass­en und in verhältnis­mäßig vielen Fällen weiblich, in sehr wenigen Fällen ausländisc­he Staatsbürg­er. (elas)

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