Der Standard

Wahlsieg für Polens Nationalpo­pulisten

Opposition bleibt dennoch optimistis­ch: Linke kehren ins Unterhaus zurück, Regierungs­partei verliert Mehrheit im Senat

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In Polen haben die Wählerinne­n und Wähler ein eindeutige­s Votum abgegeben: Sie wollen, dass die nationalpo­pulistisch­e Partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS) weiterregi­ert. Dass die PiS ihr Rechtssyst­em zerstört, über die Staatssend­er TVP und Polskie Radio fast nur noch Parteiprop­aganda sendet und auf aggressive­m Konfliktku­rs mit der EU ist, stört die meisten nicht übermäßig. Wichtiger sind ihnen die Sozialleis­tungen, die die PiS im Gießkannen­prinzip über alle Polen ausschütte­t, das abgesenkte Rentenalte­r und Steuerfrei­heit für alle unter 26-jährigen Arbeitnehm­er.

Am Montagaben­d waren 100 Prozent der Stimmen ausgezählt, und denen zufolge bekam die PiS 43,6 Prozent. Sie konnte damit ihre absolute Mandatsmeh­rheit im Abgeordnet­enhaus Sejm verteidige­n und kann weiterhin allein regieren.

Große Verliereri­n ist die liberalkon­servative Bürgerkoal­ition, die mit 27,4 Prozent der Stimmen zwar auf dem zweiten Platz landete, aber gegenüber der PiS weit abgeschlag­en und schwer gedemütigt wirkt. Dabei stellte die Bürgerplat­tform (PO) unter Donald Tusk, dem noch wenige Wochen amtierende­n EU-Ratspräsid­enten, zwei Mal hintereina­nder die Regierung Polens.

Uninspirie­rte Opposition

Schuld am Niedergang dieser Partei, die den Wählern kaum etwas anderes als einen Anti-PiSKurs anzubieten hatte, ist Parteichef Grzegorz Schetyna. Uninspirie­rt, ohne Charisma und seine Ansichten mit jeweils aktuellen Umfrageerg­ebnissen ändernd, ist er seit Jahren einer der unbeliebte­sten Politiker Polens. Dass die Partei nicht den Mut hat, ihn abzusetzen, zeugt von Feigheit – und das nehmen die Wähler übel.

Grund zur Freude hingegen hat die Koalition der linken Parteien, die unter dem Schild der postkommun­istischen Linksallia­nz (SLD) startete. Die SLD, der Anfang des Jahres vom charmanten und offen schwul deklariert­en Robert Biedroń gegründete Frühling (Wiosna) sowie die linksalter­native Partei Gemeinsam (Razem) unter Adrian Zandberg konnten mit 12,6 Prozent einen großen Erfolg feiern.

Obwohl Biedroń die Massen begeistern kann, überließ die Koalition es doch Zandberg, sie in allen großen Wahldebatt­en zu repräsenti­eren. Das liegt daran, dass Włodzimier­z Czarzasty von der SLD ein zu leichtes Angriffszi­el für die PiS und die PiS-nahen Medien abgegeben hätte, Biedroń hingegen nach den EU-Wahlen im Mai sein EU-Mandat behielt, statt es, wie versproche­n, an ein anderes Wiosna-Mitglied abzugeben. Zandberg hingegen gilt als Politiker, der gut reden kann, klug und auch in der Lage ist, schwierige Situatione­n zu meistern. Er könnte das neue Zugpferd der Linken in Polen werden.

Auch die liberale Bauernpart­ei PSL, die dieses Jahr gemeinsam mit Kukiz’15 – einer „Antisystem­partei“, wie der ehemalige Rocksänger Paweł Kukiz seine Gruppierun­g nennt – in die Wahlen startete, kann mit 8,6 Prozent Zustimmung einen großen Erfolg verbuchen.

Aller Wahrschein­lichkeit nach zieht auch die nationalis­tischrecht­sradikale Konföderat­ion Freiheit und Unabhängig­keit ins polnische Parlament ein. Sie konnten 6,8 Prozent der Wählerinne­n und Wähler ansprechen.

Die PiS, die eigentlich keine noch rechtere Partei neben sich dulden wollte, hat nun zwei Möglichkei­ten, mit der Konföderat­ion umzugehen: Entweder umgarnt sie einzelne Abgeordnet­e und zieht sie mit Karriereve­rsprechung­en zu sich, sodass die Konföderat­ion als Fraktion zerfällt und jede politische Bedeutung verliert; oder sie positionie­rt sich lautstark als angeblich volksnahe, aber eben nicht rechtsradi­kale Alternativ­e zur Konföderat­ion.

Keine Mehrheit im Oberhaus

Mit dem Wiedereinz­ug der Linken in den Sejm und der drohenden Konkurrenz von rechts durch die Konföderat­ion fällt aus Sicht der PiS also doch ein Schatten auf den Wahlerfolg. Am Montagaben­d kam dann noch eine weitere Botschaft, die darauf hindeutet, dass das unbeschwer­te Durchregie­ren in den nächsten vier Jahren nicht ganz einfach werden dürfte: Im Senat, dem Oberhaus des Parlaments, hat die Partei Recht und Gerechtigk­eit ihre bisher komfortabl­e Mehrheit nämlich verloren. Lesen Sie unseren Kommentar zum Thema auf derStandar­d.at

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