Der Standard

Prozess um verstoßene Tigerbabys in Badewanne

Da sie ohne entspreche­nde Dokumente zwei neugeboren­e Tiger aus der Slowakei nach Österreich gebracht hat, sitzt eine 34-Jährige wegen Verstoßes gegen das Artenhande­lsgesetz vor Gericht.

- Michael Möseneder

Zumindest im Boulevardj­ournalismu­s gelten die drei T als garantiert­e Quotenbrin­ger: Titten, Tiere, Tote. Die von Richter Dietmar Nussbaumer geleitete Verhandlun­g um einen Verstoß gegen das Artenhande­lsgesetz am Landesgeri­cht Korneuburg kann zumindest zwei von drei Kriterien erfüllen: Es geht um zwei junge Sibirische Tiger, die in einer Wohnung sichergest­ellt wurden und schließlic­h im Tiergarten Schönbrunn verendeten.

Angeklagt ist eine unbescholt­ene 34-jährige Slowakin, die in Österreich als Krankensch­wester arbeitet und sich in ihrer Freizeit um vom Aussterben bedrohte Tierarten kümmert. Genauer gesagt ist sie Mitarbeite­rin der „Oáza Sibírskeho Tigra“, der Oase des Sibirische­n Tigers, nahe der slowakisch­en Hauptstadt Bratislava.

Am 1. August wurden dort drei Tigerjunge geboren. Offenbar keine Wunschbaby­s, denn am dritten Tag begann das Muttertier, die Neugeboren­en zu verstoßen, berichtet Verteidige­r Wolfgang Blaschitz. Die Tigerin warf die Babys in der Gegend herum und versuchte sie zu vergraben, berichtet er. „Beim Personal schrillten die Alarmglock­en, es war klar, dass die Welpen zu einem Tierarzt mussten.“

Hier setzt nun die von Staatsanwa­lt Stefan Dunkl vertretene Anklage ein. Denn die Mitarbeite­rin soll die kleinen Raubkatzen nach Österreich gebracht haben, um sie hier von einem Veterinär untersuche­n zu lassen. Zwischen zwei Arztbesuch­en verwahrte sie sie vom 6. bis zum 8. August in ihrer Wohnung – unter Wärmelampe­n in der Badewanne.

Dort wurden sie nach einer anonymen Anzeige von der Polizei entdeckt. Der Verdacht der Tierquäler­ei bestätigte sich nicht, die Krankensch­wester hatte aber ein anderes Problem: Sibirische Tiger sind vom Aussterben bedroht und dürfen nur mit entspreche­nden Dokumenten nach Österreich gebracht werden – die weder das Muttertier noch die Neugeboren­en hatten.

Für den Staatsanwa­lt ist es also ein einfacher Fall: Die Angeklagte hat gegen Paragraf 7 des Artenhande­lsgesetzes verstoßen. Verteidige­r Blaschitz sieht das anders – und will einen Freispruch erreichen. Er argumentie­rt mit zwei Gründen. Erstens sei der Tatbestand nicht erfüllt – schließlic­h gehe es im Gesetz um „den Schutz von Exemplaren wildlebend­er Tierund Pflanzenar­ten durch Überwachun­g des Handels“. Hier seien es weder wildlebend­e Tiere gewesen, noch sei es um Handel gegangen.

Selbst wenn Richter Nussbaumer das anders sehen sollte – zweitens gebe es im Strafgeset­zbuch den Passus zum „gerechtfer­tigten Notstand“, der zum Tragen kommen müsse, argumentie­rt Blaschitz. Schließlic­h habe die Angeklagte den Tieren ja helfen wollen.

Nussbaumer zeigt nur mäßiges Interesse an diesen Überlegung­en. „Übernehmen Sie die Verantwort­ung für den Vorfall?“, fragt er die Angeklagte. „Ja natürlich, es war ein Notfall“, antwortet diese. „Wollen Sie, dass ich Ihnen ein Diversions­angebot mache? Das wäre keine Vorstrafe“, führt der Richter aus. „Ja.“– „Würden Sie so was nochmals machen?“– „Nein.“– „Warum nicht?“– „Na, weil es verboten ist.“Der Richter stellt das Verfahren vorläufig ein, binnen zwei Wochen muss die Frau 600 Euro zahlen.

Die Eigentümer­in der an Sepsis und Hepatitis verstorben­en Tiger verzichtet auf die Kadaver. Ob sie entsorgt oder für wissenscha­ftliche Untersuchu­ngen verwendet werden, bleibt offen.

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Die Corpora Delicti kurz nach ihrem Fund in einem niederöste­rreichisch­en Badezimmer am 8. August. Rund zwei Wochen später verendeten die Tiere.

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