Prozess um verstoßene Tigerbabys in Badewanne
Da sie ohne entsprechende Dokumente zwei neugeborene Tiger aus der Slowakei nach Österreich gebracht hat, sitzt eine 34-Jährige wegen Verstoßes gegen das Artenhandelsgesetz vor Gericht.
Zumindest im Boulevardjournalismus gelten die drei T als garantierte Quotenbringer: Titten, Tiere, Tote. Die von Richter Dietmar Nussbaumer geleitete Verhandlung um einen Verstoß gegen das Artenhandelsgesetz am Landesgericht Korneuburg kann zumindest zwei von drei Kriterien erfüllen: Es geht um zwei junge Sibirische Tiger, die in einer Wohnung sichergestellt wurden und schließlich im Tiergarten Schönbrunn verendeten.
Angeklagt ist eine unbescholtene 34-jährige Slowakin, die in Österreich als Krankenschwester arbeitet und sich in ihrer Freizeit um vom Aussterben bedrohte Tierarten kümmert. Genauer gesagt ist sie Mitarbeiterin der „Oáza Sibírskeho Tigra“, der Oase des Sibirischen Tigers, nahe der slowakischen Hauptstadt Bratislava.
Am 1. August wurden dort drei Tigerjunge geboren. Offenbar keine Wunschbabys, denn am dritten Tag begann das Muttertier, die Neugeborenen zu verstoßen, berichtet Verteidiger Wolfgang Blaschitz. Die Tigerin warf die Babys in der Gegend herum und versuchte sie zu vergraben, berichtet er. „Beim Personal schrillten die Alarmglocken, es war klar, dass die Welpen zu einem Tierarzt mussten.“
Hier setzt nun die von Staatsanwalt Stefan Dunkl vertretene Anklage ein. Denn die Mitarbeiterin soll die kleinen Raubkatzen nach Österreich gebracht haben, um sie hier von einem Veterinär untersuchen zu lassen. Zwischen zwei Arztbesuchen verwahrte sie sie vom 6. bis zum 8. August in ihrer Wohnung – unter Wärmelampen in der Badewanne.
Dort wurden sie nach einer anonymen Anzeige von der Polizei entdeckt. Der Verdacht der Tierquälerei bestätigte sich nicht, die Krankenschwester hatte aber ein anderes Problem: Sibirische Tiger sind vom Aussterben bedroht und dürfen nur mit entsprechenden Dokumenten nach Österreich gebracht werden – die weder das Muttertier noch die Neugeborenen hatten.
Für den Staatsanwalt ist es also ein einfacher Fall: Die Angeklagte hat gegen Paragraf 7 des Artenhandelsgesetzes verstoßen. Verteidiger Blaschitz sieht das anders – und will einen Freispruch erreichen. Er argumentiert mit zwei Gründen. Erstens sei der Tatbestand nicht erfüllt – schließlich gehe es im Gesetz um „den Schutz von Exemplaren wildlebender Tierund Pflanzenarten durch Überwachung des Handels“. Hier seien es weder wildlebende Tiere gewesen, noch sei es um Handel gegangen.
Selbst wenn Richter Nussbaumer das anders sehen sollte – zweitens gebe es im Strafgesetzbuch den Passus zum „gerechtfertigten Notstand“, der zum Tragen kommen müsse, argumentiert Blaschitz. Schließlich habe die Angeklagte den Tieren ja helfen wollen.
Nussbaumer zeigt nur mäßiges Interesse an diesen Überlegungen. „Übernehmen Sie die Verantwortung für den Vorfall?“, fragt er die Angeklagte. „Ja natürlich, es war ein Notfall“, antwortet diese. „Wollen Sie, dass ich Ihnen ein Diversionsangebot mache? Das wäre keine Vorstrafe“, führt der Richter aus. „Ja.“– „Würden Sie so was nochmals machen?“– „Nein.“– „Warum nicht?“– „Na, weil es verboten ist.“Der Richter stellt das Verfahren vorläufig ein, binnen zwei Wochen muss die Frau 600 Euro zahlen.
Die Eigentümerin der an Sepsis und Hepatitis verstorbenen Tiger verzichtet auf die Kadaver. Ob sie entsorgt oder für wissenschaftliche Untersuchungen verwendet werden, bleibt offen.