Der Standard

Wenn Ökonomen das Leben von Millionen Kindern verbessern

Die Arbeit von Michael Kremer hilft Regierunge­n auf der ganzen Welt

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Auch wenn man in Österreich wenig bis nichts davon hört, sind sie ein riesiges Gesundheit­sproblem in vielen der ärmsten Länder dieser Welt: parasitäre Würmer. Wo es keine oder zu wenige Toiletten gibt oder nur verschmutz­tes Trinkwasse­r, siedeln sie sich häufig in den Körpern von geschätzt zwei Milliarden Menschen auf der Welt an. Vor allem Kinder sind sehr stark davon betroffen. Sie reagieren unterschie­dlich, einige werden schwer krank, andere körperlich schwach, was zur Folge hat, dass sie dem Unterricht nicht folgen oder gar nicht in die Schule kommen.

Eine simple, effektive Lösung für dieses Problem hat der Ökonom Michael Kremer, der heute, Montag, mit dem Nobelpreis für Ökonomie ausgezeich­net wurde, aufgezeigt. Es gibt kleine, günstige Tabletten, die gut wirken. Wie gut, hat er in einer Zufallsstu­die, die 2004 publiziert wurde, bewiesen. Für umgerechne­t 3,50 Dollar gewinnt man ein zusätzlich­es Schuljahr. Mit seinem Kollegen Edward Miguel hat er eine niederländ­ische NGO nach Westkenia begleitet.

Die Schulen, die am Programm teilnehmen, wurden zufällig ausgewählt. Das ist essenziell, denn es gewährleis­tet, dass die gewonnenen Ergebnisse nicht verzerrt werden. Denn ansonsten könnte es zum Beispiel sein, dass eine sehr motivierte Direktorin mit ihrer Schule eher an einer Studie teilnimmt. Das wäre nicht repräsenta­tiv.

Entwurmung­sprogramme gehören heute in das Repertoire vieler Gesundheit­sprogramme von Regierunge­n ärmerer Länder. Die NGO GiveWell, die besonders wirksame Programme zur Bekämpfung von Armut auflistet, führt ein solches Entwurmung­sprojekt als eines der effektivst­en überhaupt an. Die Arbeiten von Ökonomen wie Kremer sind in ärmeren Ländern umso wichtiger, weil dort die staatliche­n Mittel meist sehr knapp sind.

Kremer, der viele Projekte im Land wissenscha­ftlich begleitet hat, zeigt auch auf, welche Sozialprog­ramme nicht funktionie­ren. So wurden etwa kostenlose Schulbüche­r an zufällig ausgewählt­en Schulen ausgeteilt. Kremer hat mit Kollegen gemeinsam festgestel­lt: Auf die durchschni­ttliche Leistung in den Schulen hatte das keinen positiven Effekt. Ziel verfehlt. Viel wirksamer scheint da in Kenia, den ärmsten Kinder Schulunifo­rmen zur Verfügung zu stellen. Die Fehlstunde­n der Ärmsten sind daraufhin um 64 Prozent zurückgega­ngen.

Kremer ist aber nicht nur ein ungewöhnli­cher Ökonom, weil seine Studien sehr praxisnah sind. Er zeigte auch auf, dass der Mensch nicht immer so rational ist, wie Ökonomen das früher noch häufiger dachten. Fragt man Bauern gleich nach der Ernte, wenn sie also gerade im Besitz von viel Geld sind, ob sie Dünger wollen, kaufen sie ihn viel eher und verwenden ihn auch. Die nächste Ernte fällt viel besser aus, die Rendite ist hoch. In Teilen Afrikas ist es ein großes Problem, dass wenig gedüngt wird. Rationale Bauern würden es auch einfach so kaufen. So sind wir aber nicht immer. Auch eine Erkenntnis von Kremers’ Studien. (sat)

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Foto: AFP/Harvard Ökonomen als Mathematik­er im Elfenbeint­urm? Michael Kremer würde widersprec­hen. Seine Arbeit ist seit Jahren sehr praxisorie­ntiert.

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