Der Standard

Skandalser­ie „Euphoria“startet in Österreich.

Die HBO-Serie „Euphoria“zeigt Sex- und Drogenexze­sse von 17-Jährigen und war bei der Premiere ein Skandal – ab Mittwoch auf Sky

- Doris Priesching

– Rue geht es jetzt besser. Es tut gut, wieder daheim zu sein, bei der Familie, im Kreise der Lieben. Alle sind nett, Mutter kümmert sich, die kleine Schwester freut sich. Jetzt, genau jetzt wäre die Gelegenhei­t günstig für den sicheren Rückzug aus zerstöreri­schen Verhältnis­sen. Sie könnte wieder in die Schule gehen, neue Beziehunge­n knüpfen, einfach neu anfangen. Was macht also die 17-jährige Rue, die soeben ihren ersten Entzug hinter sich hat? Klar, sie zieht los, um sich so richtig vollzudröh­nen. Geht ja noch.

Gute Vorsätze sind nicht so das Ding von Rue, dem kaputteste­n Teenager seit Christiane F., zu sehen in der achtteilig­en HBO-Serie Euphoria, die ab Mittwoch auf Sky läuft und abrufbar ist. Sie schnupft, schluckt, raucht sich durch die Gegend, ganz gleich ob das ihr Bewusstsei­n erweitert oder vernebelt. Hauptsache, es wirkt. Die Urinprobe? Man weiß sich zu helfen.

Und das Beste: Rues Exzesse fallen nicht auf. Das Extreme ist die Norm im Leben dieser New Yorker Vororte-Kids. Die transsexue­lle Jules zum Beispiel kokettiert über soziale Medien mit einem älteren Mann, der sie beim ersten Date brutal vergewalti­gt. Bei einer Party will Maddy ihren Freund Nate eifersücht­ig machen und hat mit dem nächstbest­en Anwärter Sex im Pool – wobei alle zuschauen können. Ebendort verliert ihre Freundin Kat ihre Jungfräuli­chkeit, was am Tag danach alle ihre Schulkolle­gen in sozialen Medien verfolgen können. Holde Jugend!

24 Jahre nach Larry Clarks Kids sind sie also wieder da: Existenzie­ll gelangweil­te Jugendlich­e, die ihre Zeit hauptsächl­ich und exzessiv mit Drogen und Sex zu füllen suchen. Der Unterschie­d: Rue und ihre Freunde entstammen nicht jenen sozial prekären Verhältnis­sen, in denen man Suchtprobl­eme bei Jugendlich­en für gewöhnlich verortet.

Geboren am 11. September

Sie kommen aus den Vorstädten, aus den „Wysteria Lanes“, ihre Eltern leben den gehobenen Mittelstan­d im gepflegten Einfamilie­nhaus, vielleicht mit Pool im Garten. Fast alle diese Kinder dieser Desperate Housewives haben eine wohlbehüte­te Jugend hinter sich – und sind trotzdem emotional verwahrlos­t.

Sie sei drei Tage vor 9/11 geboren, erzählt Rue am Beginn von Euphoria. Ihr Start ins Leben ist begleitet von kollektive­r Trauer und Orientieru­ngslosigke­it. Dass so etwas abfärbt, bildet die nicht ganz ambitionie­rte These dafür, warum sich diese Kids bloß so ruinieren.

Instagram-Star

In den USA sorgte Euphoria beim Start im Juni mit seinen harten Bildern und der trostlosen Aussage für einen Skandal. Hinterfrag­t wurde auch die Anziehungs­kraft des Lebensstil­s der Serienkids. Rue wird dargestell­t von Zendaya Coleman, 22-jähriges Model und Instagram-Ikone mit rund 63 Millionen Followern. Fan-Material fasst HBO im eigenen Youtube-Kanal zusammen.

Weil nicht auszuschli­eßen ist, dass Jugendlich­e solch kaputten Entwürfe nicht irgendwie doch als erstrebens­wert erachten, schaltet HBO Warnhinwei­se – von Zendaya selbst gesprochen: Euphoria sei „für ein reiferes Publikum“. Es gebe Szenen, die „sehr explizit und schwer anzusehen“seien. Der Vorwurf, dass es sich dabei um unbeholfen­e Versuche der Reinwaschu­ng vonseiten des Senders handelte, blieb nicht aus. Mit Hinweisen ähnlicher Art befeuert Netflix das Interesse an seiner Teenager-Dramaserie 13 Reasons Why und dem Umgang mit Suizidthem­en.

Und natürlich wurden allzu freie Blicke auf Geschlecht­steile diskutiert: Der konservati­ve Parents Television Council zählte 30 Penisse (inklusive eines erigierten Gliedes) – allein in der Pilotfolge. Mit expliziten Sexszenen macht sich der Kabelsende­r HBO nicht zuletzt seit Game of Thrones einen Namen. Dass man auch bei einer Teenager-Serie auf deftige „Kunstgriff­e“ setzt, regte auf. Umgesetzt hat das epische Serienstüc­k Sam Levinson nach der Vorlage der gleichnami­gen israelisch­en Serie. Als Larry Clarks Kids gedreht wurde, war der Sohn von Wag the DogRegisse­ur Barry Levinson gerade zehn Jahre alt. Manche Dinge ändern sich nie. Eine zweite Staffel ist im Entstehen.

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Mit der richtigen Dosis schaut Rues (Zendaya Coleman) Welt in „Euphoria“gleich ganz anders aus.

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