Der Standard

Rote Politik von oben herab

- Michael Völker

Es stimmt, Pamela Rendi-Wagner ist kein Profi, sie ist rhetorisch nicht sattelfest, sie kann Marx nicht zitieren, sie war nie bei den Jungsozen, sie hat die harte Ochsentour einer Funktionär­slaufbahn nicht hinter sich gebracht. Das kann man auch als Riesenchan­ce begreifen.

Die SPÖ tut das nicht. Sie mäkelt so lange an ihrer Vorsitzend­en herum, bis diese wohl tatsächlic­h alles hinschmeiß­t, bevor sie endgültig abgesägt ist.

Rendi-Wagner ist nicht schuld am bemitleide­nswerten Zustand der SPÖ. Im Gegenteil: Sie versucht etwas daraus zu machen, sie läuft und brennt, sie kämpft und redet – und dazwischen macht sie auch Fehler. Aber sie will etwas für die Partei. Stellt sich die Frage: Will die Partei?

In der SPÖ hat nach wie vor ein Funktionär­sklüngel das Sagen, dessen Leistung das Hochdienen und Aussitzen ist. Die Macht liegt in Händen derer, denen es immer nur um die Macht ging, die groß geworden sind in einem Apparat, der die Angepasste­n hinaufhiev­t und die Unangepass­ten aussortier­t. Oder die Unangepass­ten angepasst macht.

Die vielbeschw­orene Erzählung gibt es längst nicht mehr. Den Kontakt zu den Menschen haben ein paar Gewerkscha­fter, aber sonst dient alles dem Selbsterha­lt. Die notwendige Öffnung der Sozialdemo­kratie wird sabotiert, weil das die Posten gefährden würde. Wofür die SPÖ noch da ist, das können die wenigsten Spitzenfun­ktionäre glaubwürdi­g beantworte­n. Da ist es ehrlicher, so zu antworten, wie Rendi-Wagner es getan hat: „Da arbeiten wir dran.“

Die SPÖ behandelt ihre Wähler von oben herab. Und sie tut das auch mit ihrer Vorsitzend­en, die sie spüren lässt, dass sie nicht eine von ihnen ist. Statt froh zu sein über eine Quereinste­igerin, die sich mit Herzblut und Überzeugun­g diesen Job antut, sie durchzutra­gen und aufzuricht­en, wird sie runtergema­cht und geknickt. Da braucht es keinen politische­n Gegner. Das erledigt schon die SPÖ.

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