Der Standard

Chaos oder ruhiger Brexit als Chefentsch­eidung

Neue EU-Kommission könnte erst später antreten

-

Tarnen und täuschen, tiefstapel­n, ohne allzu pessimisti­sch zu wirken: So spielten sich Verhandlun­gen im Finale vitaler Entscheidu­ngen für die ganze Europäisch­e Union in der Vergangenh­eit praktisch immer ab.

Stets präsentier­ten sich die Verhandler nach außen hin „konstrukti­v“, ohne Einblick zu geben, wie es um die Chancen von Erfolg oder Misserfolg wirklich stand, bevor am Ende die Premiermin­ister der mächtigste­n Staaten im Verbund mit den politische­n Anführern der direkt betroffene­n Staaten und der EU-Institutio­nen die Würfel fallen ließen.

Ganz nach diesem Muster schien ab dem Wochenende auch das Endgame im Ringen um den EU-Austritt Großbritan­niens abzulaufen.

Am Donnerstag werden sich die Staats- und Regierungs­chefs in Brüssel zu einem EU-Gipfel in Brüssel versammeln. Spätestens dort sollte es in der Nacht auf Freitag eine Lösung geben, ob der EU-Austritt wie vorgesehen am 31. Oktober kommt und ob er im Prinzip nach dem bereits im November 2018 vereinbart­en Austrittsv­ertrag vollzogen wird.

Querelen in Kommission

Erschwert wird die Verhandlun­gslage durch den Umstand, dass Junckers Kommission­steam am 1. November abtreten und durch die Equipe von Ursula von der Leyen ersetzt werden sollte. Weil aber drei Kommissars­kandidaten vom EU-Parlament bei den Anhörungen abgelehnt wurden, auch Macrons Favoritin Sylvie Goulard, droht der Antrittste­rmin der neuen Kommission zu scheitern. Das EU-Parlament sollte in nur acht Tagen im Plenum in Straßburg über die Zustimmung zur Kommission von von der Leyen entscheide­n. Die Präsidenti­n sprach Montag in Paris bei Macron vor. Es ist die Rede davon, dass sie erst am 1. Dezember ins Amt kommt.

Das würde bedeuten, dass Juncker bei einem Brexit am 31. Oktober die erste Phase der Übergangsz­eit abwickeln müsste: Bei einem No Deal wäre das eine Monsterauf­gabe. Sollte man sich beim Gipfel aber auf einen Brexit auf Basis des noch von May ausgehande­lten Vertrages einigen, wie immer ein modifizier­ter Backstop auch aussähe, dann ginge der Brexit ruhig über die Bühne: Für die Übergangsp­hase bis Ende 2020 würden die bestehende­n EU-Regeln weiter gelten. Thomas Mayer aus Brüssel

Newspapers in German

Newspapers from Austria