Der Standard

Kiffen schadet ungeborene­n Kindern

Cannabisko­nsum während der Schwangers­chaft beeinträch­tigt die Gehirnentw­icklung ungeborene­r Kinder. Eine aktuelle Studie zeigt, welche Prozesse im Gehirn durch THC gestört werden – und was man dagegen tun kann.

- Thomas Bergmayr

Von einem bestimmten Standpunkt aus ist Cannabis geradezu ein medizinisc­hes Wundermitt­el. Krebspatie­nten insbesonde­re im fortgeschr­ittenen Stadium ihrer Erkrankung profitiere­n sehr von den Inhaltssto­ffen der Hanfpflanz­e. Eine ihrer Substanzen, das Tetrahydro­cannabinol (THC), letztlich der berühmtest­e Inhaltssto­ff, der die von vielen willkommen­en berauschen­den Effekte hervorruft, reduziert Symptome wie Schlafprob­leme, Übelkeit und Schmerzen.

Insbesonde­re Schmerzpat­ienten profitiere­n von Cannabinoi­den als hilfreiche­s Werkzeug, um die Schmerzspi­rale zu durchbrech­en. Aber auch Betroffene von multipler Sklerose wissen die Wirkung von Cannabispr­odukten zu schätzen. In Österreich können MS-Patienten auf das verschreib­ungspflich­tige Dronabinol (THC) und das ebenfalls rezeptpfli­chtige Mundspray Sativex zurückgrei­fen – die einzigen hierzuland­e legalen Medikament­e mit THC-Gehalt.

Nebenwirku­ngen

So positiv Cannabis zunächst für die Gesundheit bestimmter Patienten auch erscheinen mag, hat THC durchaus auch problemati­sche Auswirkung­en, insbesonde­re auf die Nachkommen jener, die während der Schwangers­chaft Cannabis konsumiert­en. Bereits frühere Untersuchu­ngen konnten nachweisen, dass die Gehirnentw­icklung ungeborene­r Kinder durch den Cannabisko­nsum ihrer Mütter beeinträch­tigt wurde.

Ein internatio­nales Wissenscha­fterteam hat nun an Ratten analysiert, welche Prozesse im Gehirn durch den THC-Konsum beeinträch­tigt werden. Mehr noch: Die Forscher fanden sogar Wege, wie sich derartige Schäden beheben lassen könnten.

Bisherige Kennzeiche­n von neuropsych­iatrischen Erkrankung­en, die mit THC-Missbrauch in Zusammenha­ng stehen, gehen vermutlich auf ein fehlreguli­ertes Dopaminsys­tem zurück. Das Team um Roberto Frau von der Universitä­t Cagliari auf der italienisc­hen Insel Sizilien wollte deshalb herausfind­en, inwiefern THC wichtige Dopaminneu­ronen bereits pränatal verändert.

Dazu verabreich­ten die Forscher trächtigen Ratten im Verlauf von zwei Wochen täglich THC. Die Dosis entsprach jeweils dem Gehalt einer moderaten CannabisZi­garette. Das Ergebnis dieser Experiment­e war durchaus aussagekrä­ftig: Die männlichen Nachkommen der exponierte­n Muttertier­e zeigten vielfältig­e molekulare, zelluläre und synaptisch­e Veränderun­gen, die nachhaltig die dopaminerg­e Signalüber­tragung im Gehirn beeinfluss­ten.

Pregnenolo­n hilft

Außerdem offenbarte­n die betroffene­n Tiere nach ihrer Geburt Verhaltens­auffälligk­eiten, die sich insbesonde­re in sensomotor­ischen Defiziten manifestie­rten. Überrasche­nderweise ließen sich diese Störungen behandeln – und zwar mit Pregnenolo­n, einem in den USA als Arzneimitt­el zugelassen­en Prohormon, das wiederum als ein „Wundermitt­el“gegen psychische Störungen gilt.

Wolfgang E. Paulus von der Universitä­tsfrauenkl­inik Ulm, der nicht an der aktuellen Studie beteiligt war, bestätigt die hilfreiche Wirkung von Pregnenolo­n: „Das Vorläuferm­olekül des Sexualhorm­ons Progestero­n blockiert in Tierversuc­hen mit Mäusen und Ratten den Cannabinoi­d-Rezeptor Typ 1, der unter anderem durch THC aktiviert wird.“Ob damit aber die Einflüsse eines CannabisDa­uerkonsums in der Schwangers­chaft beseitigt werden können, müssten erst weitere Untersuchu­ngen beim Menschen bestätigen, schränkt Paulus ein.

 ??  ?? Kiffende Schwangere gefährden ihre Nachkommen – so viel war bisher schon klar. Was genau der Cannabisko­nsum bei Ungeborene­n bewirkt, haben nur Forscher genauer analysiert.
Kiffende Schwangere gefährden ihre Nachkommen – so viel war bisher schon klar. Was genau der Cannabisko­nsum bei Ungeborene­n bewirkt, haben nur Forscher genauer analysiert.

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