Mehr E-Scooter sollen durch Wien fahren
Derzeit darf jeder Anbieter maximal 1500 Roller aufstellen. Geht es nach dem Österreich-Chef von Lime, sollen es bald noch mehr werden, damit man auch Außenbezirke wie Simmering und Donaustadt bedienen kann.
Für die einen füllen sie die Verkehrsnische zwischen U-Bahn-Station und Arbeitsplatz, für die anderen sind sie ein lästiges Hindernis auf dem Gehsteig. Ganze acht Anbieter konkurrieren in Wien um die Gunst der fahrfreudigen Laufkundschaft. Gerade innerhalb des Gürtels sind die bunt lackierten E-Scooter aus dem Stadtbild kaum noch wegzudenken. Laut dem Chef der österreichischen Dependance des US-Anbieters Lime, Tonalli Arreola, sollen es bald noch mehr werden. Gegenüber dem STANDARD zieht er Bilanz über das erste Jahr in Österreichs Hauptstadt.
Mit der Entwicklung ist Arreola „sehr zufrieden“, trotz des zunehmenden Konkurrenzdrucks. Das Angebot werde „gut angenommen“. Ob man hierzulande bereits mit schwarzen Zahlen operiert, bleibt offen. Allerdings mache Lime in mehreren europäischen Städten bereits Profit. Als wesentliches Differenzierungsmerkmal gegenüber einer Konkurrenz, die im Prinzip die gleiche Dienstleistung anbietet, sieht Arreola die Verfügbarkeit. Die Stärke von Lime sei, Scooter stets dort zu platzieren, wo sie gefragt sind, und damit die Wege zu den Rollern für die Nutzer kurz zu halten.
„Wir verkaufen keine Daten“
Einen Grund für das Scheitern der Radverleiher Obike und Ofo sieht Arreola darin, dass diese ihre Räder kaum bewegt hätten. Das begünstige auch Vandalismus, der gerade die mietbaren Fahrräder recht häufig betroffen hatte. Schon aus geschäftlicher Sicht sei es nicht sinnvoll, einen Scooter, der 24 Stunden ungenutzt an einem Ort steht, dort zu belassen. Bei Lime sorgt ein Algorithmus, basierend auf laufenden Berechnungen der Nutzung, für die möglichst profitable Verteilung der Roller. „Unser Geschäft sind Fahrten. Wir verkaufen auch keine Daten“, fügt er hinzu. Vandalismus an Scootern gebe es auch in Wien, er komme allerdings nicht häufig vor.
Dass in einem Jahr immer noch acht E-Scooter-Anbieter in Wien konkurrieren werden, glaubt der Lime-Chef nicht. In den USA sehe man schon Anzeichen einer baldigen Konsolidierung, die wohl bald auch in Europa einsetzen werde. Denn schließlich würden auch die Geldgeber hinter den oft jungen Verleihfirmen nicht ewig einer Perspektive auf Rendite harren wollen. Auch bei Lime strebt man nach einer besseren Bilanz, und so hat man als einer von mehreren Anbietern im Frühsommer den minütlichen Fahrpreis von 15 auf 20 Cent erhöht. Von Kundenseite habe man keine signifikanten Auswirkungen auf die Nachfrage festgestellt. Die „Juicer“– Privatpersonen, die gegen
Entgelt leergefahrene E-Scooter einsammeln, aufladen und wieder abstellen – profitierten von dem Preisanstieg allerdings nicht. Er wurde bislang nicht weitergegeben, da er laut Arreola ausschließlich zur Deckung der operativen Kosten dient. Allerdings habe man im Lauf der Zeit mehr Verdienstmöglichkeiten geschaffen, Juicer werden nun etwa auch für den Transport defekter Scooter ins Lager entlohnt. Pro Woche seien derzeit „einige hundert“Leute nebenverdienstlich für Lime tätig.
Spannend wird es für alle Anbieter in Wien Ende Oktober. Dann lädt die Stadt nämlich zu einem E-Scooter-Gipfel, auf dem man Erkenntnisse einer Evaluation des bisherigen Betriebs und daraus abgeleitete Maßnahmen präsentieren will. Trotz der Debatte über die innerstädtische Scooterflut wünscht sich Arreola die Möglichkeit, mehr Scooter aufstellen zu können – allerdings nicht in der Innenstadt. „Wir waren zum Start in 22 Bezirken“, erklärt der Lime-Chef. Allerdings habe man das Fahrgebiet bald reduzieren müssen, da man keine ausreichende Dichte an Rollern bereitstellen konnte. Müssten Nutzer erst einen halben Kilometer zu Fuß gehen, ehe sie einen Scooter finden, schwinde die Akzeptanz drastisch. Mit dem aktuellen Limit könne man daher kein größeres Gebiet bedienen. Eine Ausweitung des Dienstes in die Donaustadt und nach Simmering sei daher nur mit mehr Rollern möglich. Gelöst werden könnte das etwa mit Limits, die sich auf bestimmte Stadtgebiete oder Bezirke beziehen, argumentiert Arreola.