Empörung über politische Provokationen im Fußball
Auch nach dem 1:1 in Paris zeigten sich türkische Fußballer salutierend solidarisch mit den Streitkräften ihrer Heimat. Nun drohen Sanktionen seitens der Uefa. Der deutsche Zweitligist St. Pauli stellte einen türkischen Kicker frei. Und FPÖ-Chef Norbert H
Als die meisten seiner türkischen Mitspieler vor den feiernden Fans militärisch salutierten, senkte Kaan Ayhan den Kopf. Beim Verlassen des Platzes hatte der Abwehrspieler des deutschen Bundesligisten Fortuna Düsseldorf noch einen Disput mit einem Pressesprecher und seinem Mitspieler Merih Demiral, weil er dem türkischen TV-Sender offensichtlich kein Interview geben wollte.
Dabei war es ausgerechnet der gebürtige Gelsenkirchener Ayhan gewesen, der beim 1:1 im EMQualifikationsspiel bei Weltmeister Frankreich den Ausgleich (82.) geköpfelt hatte. Die Türkei führt in Gruppe H vor den punktegleichen Franzosen, die EM winkt. Doch die Diskussionen über das Salutieren der Kollegen beim Tor und am Schluss drängten das Sportliche in den Hintergrund.
Die Geste bezieht sich auf die Offensive türkischer Streitkräfte gegen Kurden in Nordsyrien und könnte für den türkischen Verband Konsequenzen haben. Bereits drei Tage zuvor hatten die Spieler, auch Ayhan und Karaman, beim Sieg gegen Albanien salutiert und weltweit für Aufsehen gesorgt. Hierauf hatte Fortuna-Sportvorstand Lutz Pfannenstiel auf die beiden Düsseldorfer Spieler eingewirkt. „Wir sind überzeugt, dass ihnen nichts ferner lag, als ein politisches Statement abzugeben.“
Das Regelwerk des europäischen Verbands verbietet politische Äußerungen in Stadien. Am Dienstag gab die Uefa bekannt, sie wolle zunächst „analysieren“. Sanktionen von einer Ermahnung über eine Geldstrafe bis hin zu einer Platzsperre oder gar Punktabzüge sind möglich. Eine harte Strafe gilt aber als unwahrscheinlich, weil die Uefa den Spielern erst einmal nachweisen müsste, dass sie mit der Geste tatsächlich die umstrittene Türkei-Offensive in Nordsyrien befürworten.
Wenn es nach dem türkischen Nationaltrainer Senol Günes geht, gibt es sowieso nichts aufzuarbeiten. Man wollte „keine negative Haltung demonstrieren“, sagte der 67-Jährige und verstieg sich zur These: „Wir wollen nicht, dass unsere Soldaten in ein anderes Land gehen. Aber wenn es hier in Frankreich Gewalt gäbe, denke ich, dass die Franzosen dasselbe tun würden wie wir.“
Die politische Dimension der Aktion dürfte aber allen Spielern spätestens aufgrund des Wirbels nach dem Albanien-Spiel bekannt gewesen sein. Umso mehr stach ins Auge, dass etwa Juventus-Turin-Star Demiral beim Salutieren energisch vorausging und versuchte, Mitspieler wie Ayhan zum Mitmachen zu bewegen.
Schon werden Stimmen wie jene von Italiens Sportminister Vincenzo Spadafora laut, der wegen der türkischen Militäroffensive gegen die Kurden eine Verlegung des Champions-League-Finales fordert. Es ist für 30. Mai 2020 in Istanbul angesetzt.
Der türkische Deutschland-Legionär Cenk Sahin ist bei Zweitligist St. Pauli seit Montag freigestellt, weil er auf Instagram postete: „Wir sind an der Seite unseres heldenhaften Militärs und der Armeen. Unsere Gebete sind mit Euch!“Eine ähnliche Nachricht („Möge Allah mit uns sein und unser Heer siegreich machen“) hatte der Ex-ÖFB-Internationale Veli Kavlak, der in Istanbul lebt, zwar recht flott wieder gelöscht. So oder so regte sich FPÖ-Parteichef Norbert Hofer am Dienstag auf: „Dieser Herr hat in Österreich nichts verloren.“
Kavlak spielte 31-mal für Österreich, zuletzt im November 2014 gegen Brasilien (1:2). Er ist in Wien geboren, wurde bei Rapid ausgebildet und wechselte 2011 zu Besiktas Istanbul. Nach einer langwierigen Schulterverletzung ist er seit dem Vorjahr vereinslos. (sid, APA) Kommentar Seite 32