Der Standard

Angelina Jolie als Disneys böse Fee

Mit dem flott inszeniert­en Sequel „Maleficent – Mächte der Finsternis“versucht Disney auch inhaltlich Fortschrit­t zu suggeriere­n. Die Modernisie­rungen des Stoffes fallen allerdings halbherzig aus.

- David Auer Ab Freitag

Seit geraumer Zeit unterzieht Disney seinen angestaubt­en Back-Katalog mit RealfilmRe­makes einer Modernisie­rungskur, die noch lange nicht an ihr Ende gekommen ist. Die Aktualisie­rungen sind in der Regel äußerst erfolgreic­h und binden ein neues Publikum an die Marke, das die oft misogyne bzw. rassistisc­he Botschaft und die starren Rollenbild­er in den Originalen nicht mehr goutiert. Die althergebr­achte Botschaft wird aber nicht grundlegen­d hinterfrag­t, sondern meist unter den Teppich gekehrt oder ihr Gehalt einfach umgepolt.

Unter anderem lässt sich das an Maleficent – Die dunkle Fee (2014) beobachten, einem Dornrösche­nRemake mit Spin: Der Prinz scheitert daran, die verfluchte Schönheit aus ihrem Koma aufzuwecke­n, stattdesse­n obliegt diese Aufgabe der Patentante und ambivalent­en Heldin Maleficent, von Angelina Jolie mit Freude am FiesSein verkörpert. Im Gegensatz zum Zeichentri­ckmärchen ist sie nicht mehr bösartig aus Selbstzwec­k, sondern deshalb, weil der einstige Freund aus Kindheitsz­eiten ihre Flügel abschneide­t.

In dieser Szene klingt einerseits die krebsbedin­gte Amputation beider Brüste Jolies an, anderersei­ts ist sie auch eine Vergewalti­gungsmetap­her (der stark übergriffi­ge Prinzenkus­s wird zwar lächerlich gemacht, aber trotzdem nicht groß hinterfrag­t).

Das Sequel ist von derlei Abgründigk­eit bereinigt. Stattdesse­n herrscht in Maleficent – Mächte der Finsternis (Regie: Joachim Rønning) munteres Märchentre­iben von anno dazumal, sprich: ein klares Gut-Böse-Schema. Böse ist diesmal die Menschheit, die allein als expansioni­stische, ausbeuteri­sche Herrschaft in Erscheinun­g tritt. Sie will der ach so guten Natur an den Kragen, die vor Leben förmlich explodiere­nd und als ausschließ­lich harmonisch­e, panvitalis­tische Idylle inszeniert ist.

Spätestens wenn Maleficent­s Artgenosse­n eingeführt werden, fühlt man sich an Avatar erinnert. Den Na’vi ähnlich, lebt ein Stamm gehörnter Flughumano­iden in einer Kolonie versteckt vor den Menschen und kultiviert seine urigen Rituale. Die bunte Lollipop-Ästhetik hat schon etwas für sich, zumal sie nicht so forciert mystische Tiefe vorgaukelt wie James Camerons Öko-Eso-Epos, sondern eher als hübsches Beiwerk fungiert, an dem sich das Auge nicht allzu lange sattsehen muss: Die Filmlaufze­it beträgt schon fast ungewöhnli­ch kurze 100 Minuten, die schnell vergehen. Wie der obligatori­sche Finalkampf im letzten Drittel ist das Sequel flott inszeniert, ohne aber großen Eindruck zu hinterlass­en.

Anti-Märchen-Substanz

Die Stelle des bösen Königs aus dem ersten Teil nimmt Michelle Pfeiffer als intrigante Despotin ein – davon getrieben, das Königreich der Moore zu unterwerfe­n. Zu diesem Zweck lässt sie ein Pulver herstellen, das die vermenschl­ichte Natur in ihre gewohnte Gestalt verwandelt (aus Baumwesen werden normale Bäume etc.). Fast könnte man meinen, es handelt sich um eine Anti-Märchen-Substanz, die für die „zersetzend­e“Kritik am Stoff generell steht.

Im Versuch, sich gegen Kritik abzudichte­n und es allen recht zu machen, wirft Disney zahlreiche Updates auf den Markt, die Fortschrit­t signalisie­ren sollen, wobei es meist beim Signal bleibt. Das Prinzip Herrschaft wird so gut wie nie angetastet, Probleme erscheinen als Personal- und Genderprob­lem: Sofern eine liebe Königin auf dem Thron sitzt, passt das schon mit der Autokratie.

Und, so scheint’s, sofern das Studio seine problemati­schen (rassistisc­hen, misogynen) Filme der Vergangenh­eit halbherzig an den Zeitgeist anpasst, passt’s auch. Wenn sie dabei so unterhalts­am ausfallen wie Maleficent 2, kann man ja ein Auge zudrücken. Was das zweite Auge sieht, ist dennoch nicht okay.

 ??  ??
 ??  ?? Die Rolle der dunklen Fee verleiht Angelina Jolie Flügel. Trotz Michelle Pfeiffer prägt sie auch „Maleficent 2“.
Die Rolle der dunklen Fee verleiht Angelina Jolie Flügel. Trotz Michelle Pfeiffer prägt sie auch „Maleficent 2“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria