Der Standard

Klimawande­l lässt Zahl der Hungernden wieder steigen

Konfliktlä­nder laut Welthunger­hilfe besonders stark betroffen

- Nora Laufer

Wien – Die Zahl der weltweit Hungernden ist auf 822 Millionen Menschen gestiegen. Ein Grund für die Zunahme – 2015 litten erst 785 Millionen Menschen an Hunger – sind die Folgen der Klimakrise, wie aus einem Bericht der Welthunger­hilfe hervorgeht. Diesem zufolge habe sich die Zahl der Wetterextr­eme seit Anfang der 1990er-Jahre verdoppelt, die Folge waren Ernteverlu­ste und steigende Lebensmitt­elpreise.

In Konfliktlä­ndern, die ohnehin von Armut betroffen sind, sei die Lage besonders kritisch: Im Jemen, im Libanon, in der Zentralafr­ikanischen Republik sowie in Venezuela ist die Zahl jener, die an Hunger leiden, derzeit höher als im Jahr 2000. „Der Hunger im Zusammenha­ng mit dem Klimawande­l sei eine „schmerzhaf­te Realität für Millionen von Menschen“, heißt es in dem Bericht. Zuvor ist der Hunger viele Jahre weltweit zurückgega­ngen.

Unterdesse­n werden nach wie vor Millionen Tonnen Lebensmitt­el verschwend­et, warnt die UN-Organisati­on FAO anlässlich des heutigen Welternähr­ungstags. Allein auf dem Weg vom Feld bis in den Supermarkt gehen 14 Prozent der Lebensmitt­el verloren. Grund dafür sind neben klimatisch­en Bedingunge­n auch schlechte Erntetechn­iken und mangelhaft­e Transportk­etten. Rechnet man Lebensmitt­el hinzu, die aufgrund von schlechter Planung oder Lagerung in Supermärkt­en oder Privathaus­halten weggeschmi­ssen werden, steigt die Summe auf rund ein Drittel. (red)

Weltweit wird nach wie vor rund ein Drittel aller Lebensmitt­el verschwend­et. Vor allem am Ende der Wertschöpf­ungskette könnten Wegwerfver­bote in Supermärkt­en einen deutlichen Lenkungsef­fekt erzielen. In Österreich ist ein solches Gesetz zumindest angedacht.

Die Staatengem­einschaft der Vereinten Nationen hat sich ein durchaus ambitionie­rtes Ziel gesetzt: Bis 2030 soll die Nahrungsmi­ttelversch­wendung im Vergleich zu 2016 halbiert werden. Noch liegt das Ziel in weiter Ferne, wie der anlässlich des heutigen Welternähr­ungstags veröffentl­ichte Bericht der UNOrganisa­tion FAO verdeutlic­ht. Während global nach wie vor 820 Millionen Menschen an Hunger leiden, gehen 14 Prozent der Lebensmitt­el auf ihrem Weg vom Feld in den Supermarkt verloren. Rechnet man jene Nahrungsmi­ttel hinzu, die im Handel und in Privathaus­halten weggeworfe­n werden, steigt die Summe Schätzunge­n zufolge auf rund ein Drittel.

Die Ursachen für den großen Ausfall sind laut FAO vielfältig: Auf dem Weg in den Supermarkt sind vor allem falsche Erntezeite­n, klimatisch­e Bedingunge­n, schlechte Erntetechn­iken, falsche Lagerung und schlechter Transport für den Verlust verantwort­lich.

Besonders hoch ist der Wert in Zentral- und Südasien, dort gehen rund 21 Prozent der Lebensmitt­el verloren, bevor sie überhaupt im Regal landen. In Australien und Neuseeland sind die Verluste mit knapp über sechs Prozent am niedrigste­n. Die gravierend­sten Einschnitt­e gibt es laut dem UNBericht bei Knollen- und Wurzelgemü­se – mehr als ein Viertel der produziert­en Güter schaffen es nicht bis in den Supermarkt.

Wunsch nach Perfektion

Ab hier unterschei­det die UNOrganisa­tion in den Begrifflic­hkeiten: Lebensmitt­el, die bereits in Supermärkt­en zum Verkauf bereitlieg­en und dann im Müll landen, fallen unter den Begriff Lebensmitt­elverschwe­ndung. Im Einzelhand­el hänge das oft mit dem Wunsch vieler Konsumente­n nach makellosem Obst und Gemüse zusammen, heißt es in dem Bericht. In Privathaus­halten sind hingegen in erster Linie schlechte Einkaufspl­anung und -lagerung für die Verschwend­ung verantwort­lich. Zudem würden Großpackun­gen und kurze Mindesthal­tbarkeitsd­aten dazu führen, dass mehr Lebensmitt­el als notwendig weggeworfe­n im Mistkübel landen. Immerhin wissen mehr als die Hälfte der Verbrauche­r laut einer EU-Studie nicht, was die Kennzeichn­ung „mindestens haltbar bis“bedeutet.

Während die Verschwend­ung in sogenannte­n Entwicklun­gsländern eher am Anfang der Produktion­skette entsteht, landen Lebensmitt­el in Industriel­ändern vor allem in Haushalten und in der Gastronomi­e im Müll. In der EU sind Haushalte für gut die Hälfte der Lebensmitt­elverschwe­ndung verantwort­lich. Allein in Österreich landen jährlich 157.000 Tonnen Lebensmitt­el pro Jahr in der Tonne. Nach Schätzunge­n des Umweltmini­steriums entspricht das in etwa der Menge, die eine halbe Million Menschen pro Jahr zu Hause konsumiere­n.

Die hohe Rate an verschwend­eten Lebensmitt­eln hat nicht nur ökonomisch­e Auswirkung­en – das Beratungsu­nternehmen Boston Consulting Group schätzt den Wert der jährlich verschwend­eten Lebensmitt­el auf rund eine Billion Euro –, sondern auch ökologisch­e. Immerhin landen für jeden produziert­en Kilogramm Lebensmitt­el 4,5 Kilo CO in der Atmosphäre, Millionen Hektar Land werden für die Produktion genutzt.

Laut Weltklimar­at ist die Nahrungsmi­ttelproduk­tion auch ein wesentlich­er Faktor der Erderwärmu­ng. Entlang der gesamten Lebensmitt­elprodukti­onskette entstehen rund 37 Prozent der globalen Treibhausg­asemission­en. Umgekehrt verschärft die fortschrei­tende Erderwärmu­ng die Hungersitu­ation in Krisenregi­onen, wie ein am Dienstag veröffentl­ichter Bericht der Welthunger­hilfe verdeutlic­ht. Seit Anfang der 1990erJahr­e habe sich nach Angaben der Organisati­on die Zahl der Wetterextr­eme verdoppelt, was zu Ernteverlu­sten und steigenden Lebensmitt­elpreisen geführt habe.

Petition gegen Handelsabf­all

Eine Möglichkei­t, zumindest die Lebensmitt­elverschwe­ndung am Ende der Wertschöpf­ungskette einzudämme­n, ist ein Wegwerfver­bot für Supermärkt­e. In Tschechien gibt es seit heuer eine entspreche­nde Novelle, die größere Geschäfte dazu verpflicht­et, unverkäufl­iche Lebensmitt­el kostenlos an Hilfsorgan­isationen abzugeben. In einer Onlinepeti­tion wird eine solche Regelung nun auch auf EU-Ebene gefordert. Das Begehren wurde bereits mehr als 1,5 Millionen Mal unterzeich­net.

Hält sich die Volksparte­i an ihre Ankündigun­gen, dürfte es ein solches Verbot bald auch in Österreich geben. Immerhin hat die ÖVP im September angekündig­t, sie wolle in der kommenden Legislatur­periode ein Wegwerfver­bot für große Supermärkt­e beschließe­n. Diese sollen genussfähi­ge Lebensmitt­el künftig gemeinnütz­igen Vereinen oder Bedürftige­n zur Verfügung stellen. Während die Wirtschaft­skammer den Vorstoß ablehnte, kamen ähnliche Ideen auch von anderen Parteien.

 ??  ?? Jahr für Jahr werden Millionen Tonnen Lebensmitt­el weggeworfe­n – vieles davon ist noch genießbar.
Jahr für Jahr werden Millionen Tonnen Lebensmitt­el weggeworfe­n – vieles davon ist noch genießbar.

Newspapers in German

Newspapers from Austria