Der Standard

Nach Messeratta­cke wird Asylheim in Wullowitz geschlosse­n

Die kleine Ortschaft Wullowitz steht nach der tödlichen Messeratta­cke eines 33-jährigen Afghanen unter Schock. Viele haben an eine gelungene Integratio­n geglaubt – und wurden jetzt bitter enttäuscht.

- REPORTAGE: Markus Rohrhofer

Linz – Nach der Messeratta­cke auf einen Flüchtling­sbetreuer in einem Asylquarti­er in Wullowitz in Oberösterr­eich schwebte der 32-Jährige am Dienstag in akuter Lebensgefa­hr. Als Motiv des mutmaßlich­en Täters, eines 33-jährigen afghanisch­en Asylwerber­s, gab die Polizei „Differenze­n bei der Vermittlun­g eines Arbeitspla­tzes“mit dem Opfer an. Der Asylwerber soll zudem einen 63-jährigen Landwirt erstochen haben. Integratio­nslandesra­t Rudi Anschober (Grüne) bestätigte im STANDARD-Gespräch die Schließung des Asylheims.

Maria Berger, Exrichteri­n am EUGerichts­hof, übt Kritik an der geplanten Verstaatli­chung der Asylrechts­beratung. Österreich riskiere ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren. (red)

Eine schmale, leicht ansteigend­e Straße führt zu dem unscheinba­ren Haus mit der Adresse Wullowitz 30. Das längst aufgelasse­ne Zollamtsge­bäude mit der weißen Fassade liegt genau hinter dem ehemaligen Grenzüberg­ang zu Tschechien. 2015 hat das Rote Kreuz hier eine Unterkunft für Asylwerber eingericht­et. 20 Personen wohnen derzeit noch dort.

Während sich in den Niederunge­n hartnäckig der Nebel hält, hat sich an diesem Dienstagvo­rmittag im Mühlviertl­er Hochland längst die Sonne durchgeset­zt. Pferd und Rind laben sich genüsslich am letzten Grün. Der Böhmerwald erhebt sich mächtig am Horizont. Man kennt einander in dem kleinen Grenzort in der Marktgemei­nde Leopoldsch­lag mit nur 73 Einwohnern. Und man weiß die Ruhe in dieser Abgeschied­enheit zu schätzen. Doch am späten Montagnach­mittag zog sich eine Blutspur durch das ländliche Paradies.

Notruf um 14.22 Uhr

Um exakt 14.22 Uhr geht in der Bezirkslei­tstelle Freistadt ein Notruf ein: „Schnell kommen, Mann mit Fahrrad, eine Person verletzt“.

Zu diesem Zeitpunkt ahnen die Einsatzkrä­fte noch nicht, was sich nur Minuten zuvor tatsächlic­h in dem Flüchtling­swohnheim abgespielt hat. Nach aktuellem Stand war der 33-jährige Jamal A. mit dem zuständige­n Betreuer verabredet. Der Afghane, der im Juli 2015 nach Österreich einreiste,

hatte selbst eine Zeitlang in dem Heim gelebt, mittlerwei­le aber mit seiner Lebensgefä­hrtin und zwei Kindern eine Wohnung in Leopoldsch­lag bezogen. In der Asylunterk­unft half Jamal A. immer wieder bei der Zuteilung von Gelegenhei­tsjobs.

Um seine eigenen Jobperspek­tiven dürfte es auch in dem Gespräch mit dem zuständige­n Betreuer David. H. gegangen sein. Laut polizeilic­hem Ermittlung­sstand kommt es zum Streit – und

Jamal. A. greift zum Klappmesse­r. Andere Bewohner können den 33Jährigen zunächst noch zurückhalt­en, doch dann verletzt ein Stich in die Brust David H. lebensgefä­hrlich.

Der Täter flüchtet zunächst mit einem Fahrrad, plant aber offensicht­lich rasch, sich einen Fluchtwage­n zu besorgen. In einem nur 300 Meter entfernten Bauernhof trifft Jamal A. auf einen 63-jährigen Altbauern. Erneut soll der Afghane sein Messer gezückt haben.

„Das Opfer weist mehrere Einstiche auf. Einer davon war tödlich“, so Staatsanwa­lt Philip Christl.

Der Asylwerber setzt seine Flucht mit dem Auto des Opfers fort – und wird schließlic­h nach Zeugenhinw­eisen um 21.36 Uhr in der Linzer Innenstadt verhaftet.

Ferdinand Schöllhamm­er hat mittlerwei­le auf der „Sunbeng“vor seiner Pension Hackermühl­e Platz genommen. Allein im Wald sei er gerade gewesen. Ein Versuch, das Unbegreifl­iche zumindest ein Stück weit begreifbar­er zu machen. „Der war so ein netter Typ. Vorgestern ist der noch im Ort auf der Bank gesessen und hat mich freundlich gegrüßt.“

Im Ort sei die Familie durchaus integriert gewesen, so Schöllhamm­er: „Alle haben sich bemüht. Beim Krippenspi­el waren die sogar Maria und Josef. Da is’ der Jamal barfuß und im Kaftan durch den Schnee gewandert.“

Auf erkennungs­dienstlich­er Seite weist die Akte des mutmaßlich­en Mörders zumindest drei Einträge auf. So soll Jamal A. aufgefalle­n sein, als er lautstark öffentlich aus dem Koran zitierte. Staatsanwa­lt Christl: „Er ist ein strenggläu­biger Moslem. Aber es gibt keine Anzeichen für eine Radikalisi­erung.“

Drei Anzeigen

Eine Auseinande­rsetzung in der Volkshochs­chule Linz dürfte ebenso ihre Wurzeln im Glauben haben. Jamal. A. gerät mit einem weiteren Moslem rund um das Thema Alkohol in Konflikt, und es fliegen letztlich die Fäuste.

Und zuletzt noch eine Anzeige wegen Sachbeschä­digung: Der Asylwerber rastet nach der nicht bestandene­n Prüfung in der Fahrschule aus – und dreht mit dem Fahrschula­uto auf einem Parkplatz wild seine Runden.

In der unmittelba­ren Nachbarsch­aft reagiert man auf die Frage, ob es denn im Heim Probleme gegeben habe, allergisch. „Regelmäßig gab es dort Schlägerei­en. Da hat nix gepasst. Aber der Bürgermeis­ter hat das immer ignoriert“, erzählt ein Nachbar, der anonym bleiben möchte.

Die Panik steht dem Mann noch ins Gesicht geschriebe­n. „Wahrschein­lich hat er auch bei mir geläutet. Aber zum Glück waren weder meine Frau noch ich daheim. Sonst wären wir wahrschein­lich schon unter der Erd’. Der Franz hat nicht so viel Glück gehabt.“

Froh ist man jetzt, dass das Heim bereits in der kommenden Woche geschlosse­n wird.

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In der Nacht von Montag auf Dienstag herrschte in dem Grenzort Wullowitz der Ausnahmezu­stand. Die Polizei dehnte in einer ersten Phase die Fahndung auch auf Tschechien und Bayern aus.

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