Der Standard

Die Ecken und Kanten der grünen Sondierer

Das grüne Team für erste Gespräche mit Türkis ist komplett. Ab Freitag wird mit der ÖVP über eine mögliche Koalition parliert. Die sechs Player der Ökos im Überblick.

- Marie-Theres Egyed, Nina Weißenstei­ner

Zwischen vorbildlic­h recycelten grünen Plastikfla­schen, aber auch in Verruf geratenem schwarzem Kapselkaff­ee präsentier­t Parteichef Werner Kogler am Dienstag sein Sondierung­steam – und lobt die Truppe, die mit der ÖVP mögliche Koalitions­verhandlun­gen ausloten soll, über den grünen Klee.

DER STANDARD hat die sechs Player der Ökos vorab einer schonungsl­osen Stärken-SchwächenA­nalyse unterzogen: Neben den zwei grünen Veteranen Kogler und Rudolf Anschober sowie Wiens Parteichef­in Birgit Hebein und der Listenzwei­ten Leonore Gewessler gibt es zwei überrasche­nde Nominierun­gen: Alma Zadić, bis vor kurzem noch bei Peter Pilz im Team, und Koglers langjährig­en Mitarbeite­r im Parlaments­klub, Josef Meichenits­ch, derzeit oberster Geldwäsche­prüfer bei der Finanzmark­taufsichts­behörde.

Der Budgetexpe­rte soll die Grünen vor allem beim traditione­llen Kassasturz der Republik unterstütz­en, bevor überhaupt Koalitions­verhandlun­gen aufgenomme­n werden können. Damit nicht genug, bestehen Koglers Vertraute gegenüber der ÖVP auch auf einen „Klimakassa­sturz“. Soll heißen: Angesichts der dramatisch­en Überschrei­tungen der klimaschäd­lichen CO2-Emissionen mit 2017 wollen die Grünen die Zahlen selbst eingehend überprüfen – und damit auch mögliche Strafzahlu­ngen, die auf das Land zukommen könnten. Bisher erschienen: Das ÖVP-Team Karriere: Seit den Neunzigerj­ahren ist Kogler quasi grüner Berufspoli­tiker. Lange Zeit war der studierte Volkswirt Budgetspre­cher seiner Partei im Parlament, ehe er im Herbst 2017 nicht ganz freiwillig zum Parteichef aufstieg.

Stärke: Nach dem grünen Exodus im Nationalra­t hielt der Steirer als einsamer Bundesspre­cher ohne Gehalt die Stellung. Mit 29. September ebnete der 57-Jährige den Ökos als Frontmann den Wiedereinz­ug – mit respektabl­en 14 Prozent. Schwäche: Kann ohne Punkt und Komma sprechen – und redet womöglich schon beim Sondieren alle nieder. Karriere: Bevor Kogler die Umweltakti­vistin als Quereinste­igerin und Listenzwei­te zu den Grünen holte, kampagnisi­erte Gewessler für Global 2000 gegen TTIP und Ceta. Stärke: Weil die 42-Jährige nach fünf Jahren an der Global-2000Spitze mit großen Organisati­onen, aber auch mit den Abläufen in Brüssel vertraut ist, gilt sie als Verhandlun­gstalent. Im letzten Extremsomm­er rechnete sie etwa die hohe Anzahl von Hitzetoten gegenüber den Verkehrsto­ten auf. Schwäche: Muss sich am Sondierung­stisch erst Aufmerksam­keit verschaffe­n, denn: Außer eingefleis­chten Grünen kennt sie fast kein Mensch. Karriere: Der ehemalige Volksschul­lehrer zog 1990 für die Grünen als Anti-Atom-Bewegter und Verkehrssp­recher in den Nationalra­t ein, ehe es den Oberösterr­eicher zurück in seine Heimat zog. Als erster grüner Landesrat koalierte Anschober dort mit Schwarz – zwei Perioden lang, von 2003 bis 2015. Stärke: Der 58-Jährige kennt die ÖVP in- und auswendig. Bei den Lehrlingen mit negativem Asylbesche­id ließ der Integratio­nslandesra­t nicht und nicht locker – wodurch bei Türkis immerhin ein erstes Umdenken entstand. Schwäche: Predigt mitunter wie ein Pfarrer, ist aber keiner. Karriere: Bei den Grünen ist Zadić noch ein Greenhorn, aber dennoch schon mit allen Wassern gewaschen: 2017 von Peter Pilz für seine Liste entdeckt, arbeitete sich die Anwältin zur Expertin für innere Sicherheit im Untersuchu­ngsausschu­ss rund um den Verfassung­sschutz empor. Auch die Integratio­n von Zuwanderer­n und Flüchtling­en ist der 35-jährigen gebürtigen Bosnierin ein großes Anliegen. Stärke: Hat sich in die ständigen Personalqu­erelen bei der Liste Pilz nie hineinzieh­en und damit auch nicht herunterzi­ehen lassen. Schwäche: Mögliches Ziel für ÖVPAbwerbe­profi Reinhold Lopatka. Karriere: Bevor Meichenits­ch jetzt wieder zu den Grünen stieß, legte der studierte Volkswirt eine steile Karriere hin: Von 2015 bis 2017 war der derzeitige Leiter der Geldwäsche­prüfungen bei der Finanzmark­taufsicht bei der irischen Zentralban­k tätig.

Stärke: Einst als Grüner schon für Kogler als Finanzexpe­rte tätig, kann die ÖVP dem 40-Jährigen beim Budget schlecht ein X für ein U vormachen – und bei der Parteienfi­nanzierung wohl auch nicht. Schwäche: Wird parteiinte­rn als „nett“, „voll lieb“und „umgänglich“gelobt – das kann am Verhandlun­gstisch mit Türkis auch schiefgehe­n. Karriere: Sozialpoli­tik hat Hebein von ganz unten kennengele­rnt: Anfang der Neunzigerj­ahre arbeitete sie im Bahnhofdie­nst der Caritas. 2003 trat die 52-Jährige den Grünen bei. Zunächst engagierte sich die gebürtige Kärntnerin in ihrem Wiener Wohnbezirk Rudolfshei­m-Fünfhaus als Bezirksrät­in, 2010 wechselte sie in den Gemeindera­t. Im Vorjahr setzte sie sich dann überrasche­nd im Kampf um Maria Vassilakou­s Nachfolge als grüne Wiener Landeschef­in durch – und ist seither auch Vizebürger­meisterin. Stärke: Ist links und steht dazu. Schwäche: Braucht ab und zu eine Rauchpause – wie UHBP VdB.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria