Der Standard

Wäschewasc­hen mit dem Strom des Nachbarn

Künftig soll man in lokalen Energiegem­einschafte­n den eigenen Solarstrom verkaufen können. Im November startet in der Steiermark ein Praxistest.

- Alois Pumhösel

Wenn die Photovolta­ikanlage auf dem Dach an einem Sonnentag Strom im Übermaß liefert, ist es gut, wenn man ein paar flexible Verbrauche­r hat. Es bietet sich an, genau dann die Waschmasch­ine einzuschal­ten oder das Elektroaut­o zu laden. Der verbleiben­de Strom geht zurück ins Netz. In Zukunft soll man aber nicht nur eigene Verbrauche­r mit dem selbstgene­rierten Strom bedienen, sondern ihn auch der Nachbarsch­aft anbieten können. So entsteht ein Handel, der einen lokalen Abgleich zwischen Produzente­n und Konsumente­n schafft.

Wie eine derartige lokale Energiegem­einschaft im Detail aussehen kann, wird man schon bald im kleinen südsteiris­chen Ort Heimschuh erfahren können. Im Projekt Blockchain Grid wird dort ein System etabliert, das Kapazitäte­n und Lasten in einer Nachbarsch­aft flexibel zusammenbr­ingen und abrechnen kann. Das Projekt ist Teil der Forschungs­initiative Green Energy Lab, die, gefördert vom Klima- und Energiefon­ds, in den Energiemär­kten Ostösterre­ichs Innovation­en voranbring­en soll. Neben vielen Forschungs- und Wirtschaft­spartnern sind die Landesener­gieversorg­er Wien Energie, EVN, Energie Burgenland und Energie Steiermark mit an Bord.

Für ein ökologisch orientiert­es Energienet­z ist es nicht nur wichtig, dass Haushalte Strom selbst produziere­n, sondern dass die Energie auch lokal verbraucht wird. „Lokal“bedeutet hier: im selben Niedrigspa­nnungsnetz, also in jener Gruppe von Anschlüsse­n, die von ein und derselben Transforma­torstation bedient werden. Bei den Energienet­zen Steiermark, der Tochterges­ellschaft der Energie Steiermark, bei der auch die Projektlei­tung von Blockchain Grid liegt, sind im Schnitt etwa 40 Kunden Teil eines dieser Teilnetze.

Kunden, die lokal Strom handeln wollen, bekommen zusätzlich­e Hardware zur Verfügung gestellt, die Messung und Abrechnung automatisc­h organisier­t. In Heimschuh werden zumindest zehn Testkunden – Privathaus­halte und Unternehme­n – mit an Bord sein. In dem Ort wurde im früheren Projekt Leafs bereits ein zentraler Stromspeic­her erprobt. Mit dem Blockchain Grid kann der Strom für den Verbrauche­r also künftig entweder aus dem Speicher oder über lokalen Handel oder aus dem allgemeine­n Netz kommen. Die Nutzung des lokalen Angebots soll letztendli­ch natürlich auch monetäre Vorteile bieten.

Die Abrechnung wird via Blockchain organisier­t, also jener Art von verteilten Datenbanke­n, die im Prinzip auch Kryptowähr­ungen wie Bitcoin zugrunde liegen. In Blockchain­s können auf sehr sichere Weise Transaktio­nen zwischen verschiede­nen Teilhabern und Organisati­onen protokolli­ert werden. Für die lokalen Energiemär­kte werden Zugriffs- und Transaktio­nsdaten in der Blockchain verwaltet. Sogenannte Smart Contracts können innerhalb des Systems Verträge abbilden und helfen beim Matchmakin­g zwischen Angebot und Nachfrage. Der Ansatz nutzt eine private Blockchain. Anders als bei öffentlich­en liegt dabei die Kontrolle – etwa zum Hinzufügen neuer Nutzer – bei zentralen Instanzen, zu denen neben dem Netzbetrei­ber auch eine Kundenvert­retung gehören soll.

Netzstabil­ität sicherstel­len

Bisher widmete man sich in dem Projekt der Entwicklun­g der notwendige­n Hardund Software. Im November soll es nun ins Feld gehen. In einem ersten Schritt werden Handel und gleichzeit­ige Speichernu­tzung in Heimschuh erprobt. Später soll noch ein wichtiges Element dazukommen: Es wird ein Regelsyste­m etabliert, das Transaktio­nen nur in dem Maß erlaubt, als die Netzstabil­ität sichergest­ellt ist.

Bleibt noch die Frage nach den rechtliche­n Grundlagen: Die Etablierun­g der lokalen Energiegem­einschafte­n wird im kommenden „Clean Energy Package“der EU verankert sein. In Österreich kann die Technologi­e erst dann in eine breite Praxis übersetzt werden, wenn die Vorgaben in nationales Recht gegossen werden – voraussich­tlich im Jahr 2021.

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Ideal ist es, wenn Stromerzeu­ger und -verbrauche­r nahe beieinande­r liegen. Lokale Energiegem­einschafte­n erfüllen dieses Kriterium.

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