Der Standard

Der Prophet der Generation Wäh

David Scheid, auch als „Influencer Dave“verschrien, mischt Kabarett mit Hip-Hop und pflegt dabei das gute alte Platten-Scratching. Walther von der Vogelweide und Helmut Qualtinger treffen auf Grandmaste­r Flash. Prost!

- Stefan Weiss

Das Entsetzen über den Perfektion­szwang der Gegenwart führt bei ihm zur Lust an der eigenen Verwahrlos­ung. Oder anders gesagt: Die Generation Y wird zur Generation Wäh. David Scheid, Rapper, DJ, Internet-Troll und originells­ter Jungkabare­ttist des Landes, kennt den Friseur nur vom Hörensagen und das Fitnesscen­ter von Werbesloga­ns wie „Damit du in echt so aussiehst wie auf deinem Profilbild“.

Das Gute an Scheid: Nach dem Motto Bierbank statt Bankdrücke­n stimmt sein Bühnen-Ich mit dem Instagram-Ich auch ohne Trickserei einwandfre­i überein. Jene Fotoplattf­orm, die er eigentlich gar nicht mag, weil sie Menschen beim Essen und Miteinande­rreden stört, befüllt er sporadisch unter dem Spottnamen „Influencer Dave“. Dort gibt er dann Einblick in dilettanti­sche Rap-Versuche bei den Wiener „U-Stars“oder filmt sich als Influenza-Dave gern auch beim erkältungs­bedingten Auswerfen und Burger-Fressen im Gedenken an David Hasselhoff. „Ich bin die Postmodern­e, weil ich post so gerne“, heißt es da. Als wohlstands­verwahrlos­ter Taugenicht­s Dave durfte Scheid außerdem vor einem Jahr für die ORFSendung Die Nacht – PopUp ein Satireform­at bestreiten. Leider wurde dieses viel zu früh wieder aufgegeben, weil die bald auf dem Kopf stehende Alterspyra­mide Menschen unter 40 nicht unbedingt in die Hände spielt.

Glückliche­rweise dreht der Kabarettis­t, der „fast wie unser Basti“in Wien und im Weinvierte­l aufgewachs­en ist, nach seinem Debüt Remix auch weiter live die Plattentel­ler: Entschuldi­gung, haben Sie auch 1 fetteren Beat heißt das neue Bühnenprog­ramm.

Yung Hurn, Kurz und Ibiza

Wie immer bei Scheid gibt es Nachhilfeu­nterricht zur Geschichte des Hip-Hop – vom Partyballa­balla aus den 80er-Jahren über nachdenkli­che Gangster der Neunziger bis hin zu heimischen Cloud-Rap-Dudeleien aus jüngster Zeit. Scheid pflegt dabei die gute alte, fast schon verschwund­ene Kulturtech­nik des Scratchens und weiß auch viel Lustiges aus dem Szenejargo­n zu berichten: „Die Ansage muss kicken, Brrruder!“, weil: „Zero Respect vor Leuten, die schlechte Witze machen!“

Scheid verquirlt Udo Jürgens mit Rap-Wiedergäng­er Jugo Ürdens und landet auch bei Kollege Yung Hurn eine Pointe, wenn er dessen Texte auf die kluge Essenz „Gucci, Gucci / Prada, Prada / Automobil, Automobil“herunterbr­icht. Aus Walther von der Vogelweide macht Dave mit fett in die Gegenwart stampfende­n Beats einen „Minnerappe­r“, altvordere „Literaten und Doppellite­raten“wie Helmut Qualtinger interessie­ren ihn sowieso: Prost, Brrruder!

Beim Thema Politik muss Scheid nicht viel erfinden. Da wird eine real existieren­de, an Softporno grenzende Biografie über Sebastian Kurz gelesen und dann zu aller Erlösung geschredde­rt; die Ibiza-Tapes verarbeite­t Dave als Rap und Nestroy’sches Theaterstü­ck. „Das ist Kleinkunst, Biatch!“Und sie ist gut.

24.–26. 10. im Theatercaf­é Graz, ab 1. 11. im Wiener Kabarett Niedermair

 ??  ?? In einem Rap-Song lässt sich viel verwursten: David Scheid macht Hip-Hop-Kabarett über Instagram, Ibiza, Literaten und Doppellite­raten. Die Kurz-Biografie wird geschredde­rt.
In einem Rap-Song lässt sich viel verwursten: David Scheid macht Hip-Hop-Kabarett über Instagram, Ibiza, Literaten und Doppellite­raten. Die Kurz-Biografie wird geschredde­rt.

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